Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
Medizinschwester hatte ständig die Dosis der starken psychotropen Drogen erhöht, aber selbst damit war es ihr nicht gelungen, den Ansturm der Weitergehenden Erinnerungen zurückzudrängen.
Mohiam half der verletzten Schwester auf die Beine. Aniruls Augen huschten im schattigen Treppenhaus hin und her, als wäre sie ein in die Enge getriebenes Tier. »Die inneren Stimmen lassen sich nicht zum Schweigen bringen. Sie wollen, dass ich mich zu ihnen geselle.«
»Sagen Sie so etwas nicht, Mylady.« Mohiam setzte einen leicht beruhigenden Tonfall der Stimme ein, die jedoch keine Wirkung auf Anirul zu haben schien. Die Medizinschwester drückte ein Schnellheilungspflaster auf ihre blutende Stirn. Gemeinsam hoben sie die Gattin des Imperators auf und führten sie langsam zu ihren Gemächern zurück.
»Ich höre, wie sie alle gleichzeitig in meinem Kopf rufen. Aber es sind nur Satzfragmente in den unterschiedlichsten Sprachen, von denen mir manche vertraut und andere völlig unbekannt sind. Ich verstehe nicht, was sie mir mitteilen wollen, warum sie so aufgeregt sind.« Aniruls Stimme zitterte vor Sorge. »Lobia ist auch darunter, aber nicht einmal sie kann sich im Lärm verständlich machen und mir helfen.«
In den Räumen schenkte die Medizinschwester Gewürztee aus einer Kanne ein. Anirul ließ sich auf eine alte raphaelizianische Couch fallen und richtete den Blick ihrer haselnussbraunen Augen auf die dunkle Gestalt Mohiams. »Yohsa, lassen Sie uns allein. Ich muss mit der Imperialen Wahrsagerin reden. Allein.«
Widerstrebend gab sich die Medizinschwester geschlagen und ging. Auf dem Sofa atmete Anirul tief und erzitternd durch. »Geheimnisse können eine sehr schwere Bürde sein.«
Mohiam musterte sie aufmerksam und nahm einen Schluck Gewürztee. Sie spürte, wie die Melange allmählich ihr Bewusstsein steigerte. »So habe ich es nie zuvor betrachtet, Mylady. Ich hielt es immer für eine große Ehre, mit bedeutenden Informationen vertraut zu sein.«
Lady Anirul trank ebenfalls vom lauwarmen Tee und runzelte die Stirn, als würde er eine übel schmeckende Medizin enthalten. »Bald wird Jessica eine Tochter gebären, die dazu bestimmt ist, die Mutter des lang erwarteten Kwisatz Haderach zu werden.«
»Mögen wir lange genug leben, um dabei zu sein«, sagte Mohiam, als würde sie ein Gebet sprechen.
Anirul wirkte nun wieder völlig vernünftig. »Aber als Kwisatz-Mutter mache ich mir ernsthafte Sorgen. Nur ich allein sehe und erinnere mich an alle Aspekte unseres Zuchtprogramms. Warum sind die inneren Stimmen so unruhig? Und warum ausgerechnet jetzt, wo wir dem Ziel so nahe sind? Wollen sie uns vor einer Gefahr warnen, die Jessicas Kind droht? Wird es zu einem Unglück kommen? Wird die Mutter des Kwisatz Haderach nicht so sein, wie wir erwarten? Oder hat es mit dem Kwisatz Haderach selbst eine besondere Bewandtnis?«
»Es sind nur noch zwei Wochen«, sagte Mohiam.
»Ich habe entschieden, dass Jessica zumindest einen Teil der Wahrheit erfahren soll, damit sie sich und das Kind besser beschützen kann. Jessica muss sich ihrer Bestimmung und ihrer Bedeutung für uns alle bewusst sein.«
Mohiam nahm einen weiteren Schluck Tee und versuchte, ihre Überraschung angesichts dieses Vorschlags zu verbergen. Sie war ihrer geheimen Tochter sehr zugetan, die außerdem auf Wallach IX jahrelang ihre Schülerin gewesen war. Jessicas Zukunft und ihr Schicksal waren größer als das von Mohiam oder Anirul. »Aber ... ist es gut, ihr so viel zu offenbaren? Sie wollen, dass ich es ihr verrate?«
»Schließlich sind Sie ihre leibliche Mutter.«
Ja, Mohiam sah ein, dass das Mädchen zumindest einen Teil der Wahrheit erfahren musste. Trotz ihres kritischen Zustands hatte Lady Anirul in diesem Punkt Recht. Aber Jessica sollte niemals von der Identität ihres Vaters Kenntnis erlangen. Das wäre zu grausam.
85
Es ist offenkundig mit enormem Stress verbunden, in einer Umgebung zu arbeiten, in der man den winzigsten Fehler nicht überleben würde.
Graf Hasimir Fenring,
Der Lohn der Risiken, im Exil geschrieben
Während seiner erneuten Reise nach Ix – und während der Imperator allein die politischen Schwierigkeiten erntete, die er selbst gesät hatte – dachte Graf Hasimir Fenring über subtile, bösartige und ausgesprochen schmerzhafte Todesarten nach und versuchte zu entscheiden, welche für Hidar Fen Ajidica am angemessensten war, auf welche Weise er sich am besten für seinen Verrat und den Mordversuch durch den
Weitere Kostenlose Bücher