Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
kaum zu ertragen. Serena wollte nichts mehr davon hören, aber sie war immer noch nicht in der Lage, ihre Hand zurückzuziehen.
»Ich habe mehr als zweitausend Jahre lang gelebt und gedacht und mein Wissen an jene weitergegeben, die dessen würdig waren. Nun werden meine Erkenntnisse auf eine Weise benutzt, die ich nie beabsichtigt hatte. Ich fühle mich für den unnützen Tod zahlloser Menschen verantwortlich.«
Serena ließ ihre Fingerspitzen über die gewundenen Konturen des Gehirns der Kogitorin gleiten. »Wer eine bedeutende Rolle spielt, trägt eine immense Last der Verantwortung. Diese beklagenswerte Tatsache ist mir nur allzu gut vertraut.«
»Aber ich habe nicht entschieden, diese Rolle zu spielen«, gab Kwyna zurück. »Ich wurde genauso von Iblis manipuliert wie du. Ich habe bereitwillig meine Gedanken für das Wohl der Menschheit zur Verfügung gestellt, aber meine Schriften wurden korrumpiert. Ich verstehe jetzt, warum einige der anderen Kogitoren es vorgezogen haben, sich für immer jeder Interaktion mit dem Aufstieg und Fall menschlicher Zivilisationen zu entziehen. Vielleicht hätte ich schon vor langer Zeit Vidad und den anderen folgen sollen.«
Serena war überrascht. »Es sind noch weitere Kogitoren am Leben? Was meinst du damit, dass sie sich entzogen haben?«
»Vidad war einst mein Freund, ein mentaler Sparringspartner. Wir haben endlose Debatten geführt. Doch dann haben er und fünf weitere Kogitoren entschieden, jeglichen Kontakt zu Menschen und Maschinen abzubrechen und sich in den ewigen Frieden und die Reinheit ihrer eigenen Gedanken zurückzuziehen. Zu jener Zeit verachteten wir sie, weil sie vor der Verpflichtung zur Offenbarung ihrer Erkenntnisse flohen. Wir warfen ihnen vor, sich in Elfenbeintürmen zu verstecken. Vidad widersprach dem gar nicht, aber er ließ sich dadurch auch nicht umstimmen. Seit vielen Jahrhunderten hat niemand mehr etwas von ihnen gehört.«
Serena spürte eine plötzliche Erschöpfung in Kwynas Geist, als das uralte Gehirn sagte: »Vielleicht hätte ich mich den Elfenbeinturm-Kogitoren anschließen sollen, aber jetzt ist mir diese Möglichkeit verschlossen. Ich habe dich zu mir gerufen, um dir davon zu erzählen, Serena Butler, damit du es verstehst.«
»Und du glaubst, es wäre so leicht, es zu verstehen?«, fragte Serena.
»Die Wirklichkeit ist, wie sie ist«, sagte Kwyna. »Und ich habe genug vom Leben gehabt. Ich werde meine Gedanken nicht mehr weitergeben, ich werde nicht mehr zulassen, dass meine Weisheit missbraucht wird. Wenn ich fort bin, findet Iblis vielleicht andere Wege, um die verlorenen Doktrinen zu benutzen, aber ich werde ihm keine neuen Waffen zur Verfügung stellen, die er korrumpieren kann.«
Serena war voller Sorge, was das uralte Bewusstsein als Nächstes tun würde. »Du hast mir wertvolle Dienste geleistet. Ich habe viel von dir gelernt und bin stets deinen Ratschlägen gefolgt.«
Jetzt wurde die Stimme der Kogitorin in Serenas Geist sanfter. »Ich weiß, dass dein Herz aufrichtig ist, aber die Gedanken zweier Jahrtausende haben mich erschöpft. Von nun an bist du aus meiner Protektion entlassen. Denke deine eigenen Gedanken, Serena, verlasse das Nest und fliege deiner Bestimmung entgegen.«
»Was sagst du da? Warte!«
»Für mich ist es an der Zeit ... zu gehen.« Das bläuliche Elektrafluid geriet in Bewegung und änderte die Farbe. Es nahm einen gefährlichen Rotton an, als würde das uralte Gehirn ausbluten.
Serena spürte schockiert, wie sich eine schreckliche Kälte im Gehirn ausbreitete.
Dann, ohne Dazutun der Sekundanten und ohne Manipulation durch die Lebenserhaltungssysteme im Konservierungsbehälter, verebbten die Gedanken und verschwanden ganz aus dem Geist der Kogitorin. Nach zweitausend Jahren des Nachdenkens über den Sinn der Existenz ließ Kwyna ihre Essenz ins Universum fließen. Ihr Bewusstsein verwehte im Nichts.
Serena riss die Hand aus dem Elektrafluid. Die zähe Flüssigkeit fühlte sich wie Blut an ihren Fingern an. »Was habe ich getan?«
»Viele Dinge haben zu dieser Tragödie geführt«, antwortete Livia in bitterem Tonfall. »Zum Teil Iblis Ginjo, zum Teil auch die Natur des Djihad.«
Serena kämpfte ihre Tränen zurück und trat von der leblosen Gehirnmasse der uralten Philosophin zurück. Die zu ihrer Freundin geworden war. »So viele Dinge sind in meinem Namen geschehen.«
Livia sah sie ernst an. »Serena, du hast ein Vierteljahrhundert gebraucht, um deine persönliche Tragödie zu
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