Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
theoretisch.
Er hatte seine Frau und seine jüngere Tochter, die er auf Poritrin hatte zurücklassen müssen, nicht vergessen, aber er wusste, dass er nie mehr dorthin zurückkehren würde. Seit der Flucht der Sklaven waren fast zehn Jahre vergangen. Es war unmöglich, Ozza oder Falina jemals wiederzufinden.
Er beobachtete, wie der kleine El'hiim davonrannte, dann wandte er seine Aufmerksamkeit einem intensiven Geruch zu, der ihm in die Nase drang. Marha hatte die Pakete mit der gestohlenen Melange geöffnet und eine Hand voll Pulver herausgeholt.
»Selim Wurmreiter hat in den Visionen, die das Gewürz ihm gab, die Wahrheit gesehen. Es ist ein Geschenk von Shai-Hulud. Er lässt es in der Wüste zurück, damit wir seinen Willen in Erfahrung bringen können.« Sie sah Ishmael und Jafar an. »Seit dem Tod meines Mannes ist zu viel Zeit vergangen. Wir alle brauchen jetzt eine neue Richtung. Dieses Gewürz haben wir den Dieben der Wüste abgenommen, und Shai-Hulud will, dass wir es zu uns nehmen, damit wir verstehen.«
»Was ist, wenn wir alle unterschiedliche Visionen erleben?«, fragte Ishmael.
Marha sah ihn an. Sie war wunderschön, stark und selbstbewusst. Von einem Messerduell hatte sie eine kleine halbmondförmige Narbe auf der Stirn zurückbehalten. »Jeder von uns wird sehen, was er sehen muss, und alles wird richtig sein.«
Nachdem die Sonne hinter dem glatten Sandhorizont untergegangen war, fiel die Temperatur, und die strahlenden Farben der Dämmerung stiegen in den Himmel. Die Anhänger von Selim Wurmreiter trafen sich in der größten Kammer der Höhlen und verteilten die konzentrierte Melange in der Gruppe. Jeder Mann und jede Frau nahm eine viel größere Menge zu sich, als in ihrer täglichen Nahrung enthalten war.
»Dies ist das Blut Gottes, die Essenz von Shai-Hulud. Er hat seine Träume für uns konzentriert, damit wir daran teilhaben und durch die Augen des Universums sehen können.« Marha aß eine dicke Gewürzwaffel und reichte Ishmael eine weitere.
Er hatte schon häufig Melange zu sich genommen, da es ein fester Bestandteil der Mahlzeiten des Stammes war, aber noch nie zuvor eine so große Menge. Während er sie verzehrte, konnte er spüren, wie sich die Substanz über den Blutkreislauf in seinem Körper ausbreitete und gleich darauf die geistige Wirkung einsetzte.
Fenster öffneten sich, als wären ihm an verschiedenen Stellen des Schädels Augen gewachsen. Er konnte nicht sagen, ob er in die Zukunft oder in die Vergangenheit blickte oder ob er einfach nur Dinge sah, die er sich wünschte oder vor denen er sich fürchtete. Selim Wurmreiter hatte das Gleiche gesehen und sich davon zu seiner leidenschaftlichen Mission inspirieren lassen.
Doch nun erlebte Ishmael schreckliche Bilder, die er gar nicht sehen wollte. Er sah Poritrin und das vertraute Flussdelta. Die Sklavenunterkünfte waren in Blut, Gewalt und Feuer getaucht. Die Schreie der Opfer erfüllten die Nachtluft. Sein Herz wurde zu Blei, und er wusste, dass Aliid all diesen Schmerz und all dieses Leid verursacht haben musste.
Ganz Starda, die große Hauptstadt am Fluss Isana, lag vor seinen Augen in Trümmern, und das Zentrum war nur noch ein tiefer glasig erstarrter Krater. Die Ruinen einst hoher Gebäude breiteten sich wellenförmig aus, als wäre die Faust eines rachsüchtigen Gottes auf die Metropole niedergefahren und hätte alles eingeebnet.
Doch das war nur der Anfang. Er sah, wie die Überlebenden des Adels und die Reste der Dragonerregimenter Waffen zusammensuchten und heulend zum Rachefeldzug aufbrachen. Sie jagten die buddhislamischen Sklaven auf jedem Kontinent, fingen sie ein und marterten sie. Viele wurden lebendig verbrannt, nachdem man sie in Häuser gesperrt hatte, andere wurden abgeknallt. Die Leichen wurden verstümmelt.
In einer Vision, die er niemals vergessen würde, weil sie sich fest in das Gewebe seiner Erinnerung einbrannte, sah er Ozza und Falina, die sich aneinander drängten und vor Angst schreiend um Gnade flehten. Dann stürzten sich fünf Männer mit langen Messern auf sie ... und sie brachten die Arbeit keineswegs schnell hinter sich, sondern genossen jeden Augenblick.
Die Melange trieb Ishmael immer weiter fort, einen wimmelnden Strom von Bildern in seinem Geist entlang. Poritrin verschwand und wurde durch die gewellten hellbraunen Dünen der trockensten Wüste ersetzt. Ausgedörrte Seebetten und runzlige schwarze Felsen erhoben sich und bildete Inseln der Sicherheit vor den hungrigen
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