Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
teil und aßen eine scharf gewürzte Mahlzeit, bei der gezwungen wirkende Gespräche geführt wurden. Dann hatte der Große Patriarch den Primero offensichtlich hinauskomplimentiert und betont, dass Xavier nach dem anstrengenden Tag müde sein müsse und sich für den Abend bestimmt in seine Privatunterkunft zurückziehen wolle.
Quinto Paolo war in einem kleinen Zimmer in der Nähe untergebracht worden. Die Djipol hatten keine Verwendung für den jungen Adjutanten, und der Raumhafen und das Geschäftsviertel dieses vorstädtischen Bezirks hatte nur wenig Nachtleben für einen tatendurstigen jungen Offizier zu bieten. Das Zentrum von Bandalong war angeblich aus religiösen Gründen für Besucher verboten, obwohl Xavier keine klare Antwort erhielt, als er Genaueres über die Gründe dafür wissen wollte.
Er saß in seinem Quartier und grübelte. Er fühlte sich mental erschöpft, aber sein Körper wollte noch nicht schlafen. Es gefiel ihm nicht, dass er so viel Zeit für sich hatte, in der er nur nachdenken und sich erinnern konnte. Unter solchen Bedingungen konnten Zweifel und Misstrauen ungehemmt wuchern ...
Obwohl Serena Butler leidenschaftliche Traktate geschrieben und Iblis Ginjo seine eigenen Artikel und Memoiren veröffentlicht hatte, war Xavier nie dem Bedürfnis verfallen, mit seinem Leben oder seinen militärischen Heldentaten zu prahlen. Trotz seiner hohen Stellung hatte er bisher darauf verzichtet, seine Arbeit für künftige Generationen zu dokumentieren oder zu rechtfertigen. Er zog es vor, seine Taten für sich sprechen zu lassen.
Nun verbrachte Xavier viele Stunden bis tief in die Nacht damit, über Serenas letzten Schriften zu brüten. Er stieß auf keine neuen Erkenntnisse, da er ihre Gedanken und Argumente bereits sehr gut kannte. Trotzdem erfreute er sich am Fluss und an der Poesie ihrer Worte, als würde sie wieder laut zu ihm sprechen. Er öffnete seine Erinnerungen an sie wie ein geheimes Buch in seinem Kopf, und dachte an die bemerkenswerten Leistungen, die sie in ihrem vollbracht hatte.
In ihrem viel zu kurzen Leben.
Er hörte ein Geräusch, ein verzweifeltes Klopfen an der stabilen Fensterscheibe in der Falttür zu seinem Balkon. Überrascht bemerkte Xavier, dass sich draußen ein Schatten bewegte, eine menschliche Silhouette.
Er hätte misstrauisch oder ängstlich reagieren können, aber seine Neugier war wesentlich stärker. Als er die Balkontür öffnete und ihm eine eiskalte Brise ins Gesicht schlug, sah er seinen geheimnisvollen Besucher, einen bis aufs Skelett abgemagerten Mann mit leichengrauer Haut, auf der sich rote Narben abhoben. Er hatte nur noch ein Auge; wo das andere gewesen war, gähnte eine unheimliche leere Höhle. Durchsichtige Schläuche führten von seinem Hals zu Behältern mit zäher Flüssigkeit, die an seiner Hüfte hingen.
Irgendwie hatte der Mann den Weg über die Stege gefunden und sich dann mit einem feuchten, verknoteten Strick abgeseilt. Xavier konnte sich nicht vorstellen, woher diese ausgemergelte Gestalt die Kraft für eine solche Anstrengung genommen hatte.
Der Fremde zitterte vor Erschöpfung oder Verzweiflung. »Primero Harkonnen ... endlich habe ich Sie gefunden.« Es schien, als würde er jeden Augenblick vor Erleichterung zusammenbrechen.
Xavier stützte den bemitleidenswerten Mann und führte ihn in sein Wohnzimmer. Instinktiv sprach der Primero mit leiser Stimme. »Wer sind Sie? Weiß jemand, dass Sie hier sind?«
Der Fremde schüttelte den Kopf – eine Bewegung, die ihn viel Kraft zu kosten schien. Sein Kopf kippte auf die eingefallene Brust. Er sah wie eine einzige Anhäufung von Wunden und Narben aus. Keine Kampfnarben, sondern chirurgische Narben. Xavier half ihm, sich auf einen Stuhl zu setzen.
»Primero Harkonnen ...« Immer wieder stockte der Mann, um tief Luft zu holen. »Sie erinnern sich vielleicht nicht an mich. Ich habe mit Ihnen auf IV Anbus gedient, vor dreizehn Jahren. Ich habe ein Kommando in den Kampf gegen die Denkmaschinen geführt. Ich bin Tercero Hondu Cregh.«
Xavier kniff die Augen zusammen und versuchte, seine Erinnerung mit dem Gesicht zur Deckung zu bringen. Dieser Offizier hatte den zweiten Hinterhalt in einem Dorf der Zenschiiten vorbereitet, aber die Einheimischen hatten seine Artillerie sabotiert, sodass Cregh und sein Kommando schutzlos den Angriffen der Roboter ausgeliefert waren. Genauso wie Vergyl.
»Ja, ich erinnere mich sehr gut an Sie.« Seine Stirn legte sich in Falten. »Aber ich dachte, Sie wären
Weitere Kostenlose Bücher