Dungirri 01 - Schwarze Dornen
ins Gesicht, und sie wandte die Augen von seinem Blick ab, starrte auf seine Brust und hörte seinen Atem, der plötzlich unregelmäßig geworden war.
»Bella?«
Dieser seltsame, fast barsche Ton hatte nichts mit dem selbstbewussten Mann gemein, den sie im Laufe des Tages erlebt hatte. Doch unter keinen Umständen durfte sie es wagen, diese ungestellte Frage zu beantworten.
Mit einem hastig gemurmelten »Gute Nacht« wandte sie sich ab und floh, Finn vor sich her scheuchend, in ihr Zimmer. Als sie die Tür hinter sich schloss und sich mit der Stirn dagegenlehnte, pochte ihr Herz so heftig in der Brust, dass sie meinte, das ganze Haus müsse davon aufwachen. Sie kochte vor Wut auf sich selbst. Sie musste sich darauf konzentrieren, Tanya zu finden, verdammt noch mal, und nicht Zeit und Energie darauf verschwenden, sich wie ein Backfisch mit weichen Knien aufzuführen. Das war doch wirklich unfassbar, unbegreiflich dämlich. Aber eins stand fest - von jetzt an würde sie sich von ihm fernhalten. Morgen würde sie sich Kris als Partnerin zuteilen lassen oder auch Steve, wenn es gar nicht anders ging. Der ständige Verdruss, den Steve in ihr auslöste, wäre immer noch besser, als die irritierende, verstörende Gegenwart von Alec Goddard.
Nachdem das entschieden war, stellte sie ihre Reisetasche aufs Bett und suchte die Dinge heraus, die sie für die Nacht benötigte, während Finn die Gerüche im Zimmer inspizierte. Neben dem Bett fand er einen Platz, der ihm behagte. Mit einem wohligen Schnauben ließ er sich dort nieder, legte die Schnauze auf die Pfoten und beobachtete sie.
Sie beugte sich zu ihm herab und rieb ihm den Nacken. »Ich nehme an, du darfst hier eigentlich gar nicht rein, Junge, aber das regeln wir morgen früh mit dem Wirt, okay? Wenigstens gibt’s hier keinen Teppich, den du vollhaaren kannst.«
Die Hitze des Tages hatte sich in der Nacht kaum gemildert, und im Zimmer war es stickig und heiß. Das Lüftchen, das durchs Fenster hereinzog, konnte daran nur wenig ändern; sie zog sich aus und schlüpfte in eine
baumwollene Pyjamahose und ein leichtes Unterhemd, doch auch das half nicht viel.
Sie warf sich einen dünnen Morgenmantel über und griff nach Zahnbürste und Handtuch.
Finn ließ sie im Zimmer zurück, als sie auf den breiten Balkon hinaustrat und die Tür hinter sich zuzog. Eine Lampe an der Ecke, unverzichtbar in der dunklen Nacht, wies ihr den Weg zum Badezimmer auf der anderen Seite des Gebäudes. Wenig später trat sie wieder ins Freie und knipste dabei das Badezimmerlicht aus. Schlagartig stand sie im Dunkeln. Jemand hatte die Balkonlampe gelöscht, und das Licht aus ihrem Zimmer drang nicht bis hierher. Sie zögerte, tastete nach der Wand neben sich.
Von hinten hörte sie gedämpfte Schritte, doch bevor sie reagieren konnte, hatte man ihr schon ein festes Tuch über den Kopf gezogen und eine Hand schloss sich über Mund und Nase und erstickte ihren Schrei.
Verzweifelt krallte sie sich in die Hand, während das Tuch sich enger um ihren Hals schloss. Der Angreifer stand dicht hinter ihr, hielt ihr mit der einen Hand den Mund zu und drehte mit der anderen das Tuch enger, drückte ihr den letzten Atem ab.
Sie wehrte sich, trat, kämpfte, rammte ihm die Ellenbogen rückwärts in den kräftigen Oberkörper; die Todesangst steigerte ihre Kräfte, als sie voller Verzweiflung versuchte, seine eiserne Umklammerung zu lösen. Es war ein vergeblicher Kampf. Ihre Lunge schrie nach Luft, und in ihrem Kopf breitete sich drückende Schwärze aus, während seine Hand sich unerbittlich auf ihr Gesicht presste. Undeutlich hörte sie Finn bellen, dann knickten die Beine unter ihr weg.
9
Die ausgetretenen Dielen des Balkons unter ihren Fingern waren real. Seltsam, dass sie sich dessen so sicher war, wo doch alles andere um sie herum verschwamm. Ihre Fingerspitzen, die den Kontakt zu der glatten, kühlen Fläche hielten, waren die einzigen Körperteile, die noch zu ihr gehörten. Selbst das Brennen in ihrer Lunge hatte sich verflüchtigt, seit sie nicht länger versuchte zu atmen.
»Bella!«
Die Stimme schob sich durch das zähe Dunkel, das sie umhüllte. Sie wollte danach greifen, der Stimme sagen, alles sei gut, es tue nicht mehr weh, doch ein leises Scharren der Fingernägel auf dem Holz war alles, was sie zuwege brachte. Nicht genug. Sie fiel, fiel durch den Boden, und schon bald würde nichts mehr Bedeutung haben.
Doch der Boden wehrte sich gegen sie, ein Beben marterte ihre Finger, Arme,
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