Dungirri 01 - Schwarze Dornen
konnten, richtete gegen die in ihren Kindheitserinnerungen verankerte Todesangst kaum etwas aus.
Beide rührten sich nicht. Alec verharrte völlig starr, und nur der verbissene Mund und die zusammengekniffenen Augen verrieten die Anstrengung, seine Beine in dieser unbequemen Lage zu halten. Sie sah in seine blauen Augen, ließ die Verbindung zwischen ihnen nicht abreißen und erkannte den dunklen Schatten des Schmerzes, als der Krampf ihm ins Bein fuhr.
»Durchhalten«, flüsterte sie. Er nickte kaum merklich und sah ihr weiter in die Augen, als hielte er sich an ihrer Hand fest.
Im Augenwinkel sah er ein Zucken, dann kam der braune Kopf zum Vorschein, reckte sich über den Türrahmen. Sie hielt den Atem an, solange das Reptil sich umsah, aber schließlich schlängelte es sich auf den staubigen Asphalt und schlüpfte zwischen ihren Beinen hindurch. Sie zählte bis fünf, nachdem die Schwanzspitze hinter ihren Schuhen verschwunden war, dann erst wagte sie es, über die Schulter zu schauen, wo sie das Tier gerade noch im trockenen Gras neben der Straße verschwinden sah.
»Sie ist weg«, sagte sie, und er ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken, griff sich mit beiden Händen ans Bein und massierte die Wade.
Sie sank mit weichen Knien gegen die geöffnete Wagentür, ihr Blick ruhte auf ihm, auf dem schmalen Streifen gebräunter
Haut, der zwischen Kragen und Haaransatz zu sehen war, auf der kraftvollen Linie vom Hals zum Kinn, zur Wange.
Er hätte tot sein können .
Wortlos betrachtete sie ihn, während er die Enge des Autos verließ, die Hände auf das Dach legte und den Kopf niedersinken ließ, dann streckte er die Beine und den Nacken erst in die eine Richtung, dann in die andere.
Wenn sie jetzt zu ihm ginge, könnte sie ihre Finger auf diese Muskeln legen, die Anspannung herausmassieren … Sie trat zurück, verschränkte die Arme, holte mehrmals tief Luft und versuchte, ihre Gedanken in den Griff zu bekommen, die hin und her schwankten zwischen unziemlichen, gefährlichen Fantasien von Alec und den ebenso gefährlichen Bildern einer Schlange mit zum Biss erhobenem Haupt.
Er hätte tot sein können .
Hinter ihr knirschten Schritte auf dem Kies, doch sie drehte sich nicht um, auch dann nicht, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte.
»Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Schlange von sich aus in den Wagen gekrochen ist«, sagte sie, bevor er irgendetwas sagen konnte. Bevor er irgendetwas Gefährliches sagen konnte.
»Du meinst, jemand hat sie absichtlich dort platziert?« Die Hand auf ihrer Schulter zwang sie, sich umzudrehen und ihn anzusehen; sie hasste es, wie ihr Herz sich dabei zusammenzog, doch sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
»Ja.« Eine tief in ihr vergrabene Wut brodelte auf und legte sich als bitterer Geschmack auf ihre Zunge.
Er fluchte und schloss die Hand enger um ihre Schulter, packte fast schmerzhaft zu.
»Dir hätte etwas zustoßen können …«
»Oder Kris oder Adam oder sonst jemandem«, warf sie ein. Oder dir , aber das konnte sie nicht laut sagen. Sie entwand sich seinem Griff. »Jeder im Team hätte den Wagen nehmen können. Es war reiner Zufall, dass es uns erwischt hat. Aber gedacht war es für mich.«
»Aber er konnte unmöglich wissen …«
Wieder schnitt sie ihm das Wort ab. »Es war ihm völlig gleichgültig, wer von der Schlange gebissen wird, es ging nur darum, mich zu verunsichern.«
Und das war gelungen, auch wenn in diesem Augenblick die Wut ihr eine eiserne Willenskraft gab, die den Schmerz verdrängte, der sie sonst vielleicht gelähmt hätte. Und die Wut richtete sich nicht allein gegen den Bastard, der dieses perverse Spielchen mit ihren Leben trieb. Zum Teil richtete sie sich auch gegen ihn , gegen Alec, weil er an ihr Herz rührte. Weil er ihr neue Gründe gab, Angst zu haben.
Sie schlug mit der Faust auf die Motorhaube, wandte ihm den Rücken zu und stapfte etliche Schritte davon.
»Was macht dich so sicher?«
Die Gelassenheit in seiner Stimme ließ einen Teil ihrer impulsiven Wut auf ihn verdampfen, wenn auch die andere Wut, der echte Zorn, unvermindert weiterschwelte.
Sie drehte sich zu ihm um und holte tief Luft.
»Eine Braunschlange hat meine Mutter getötet. Sie war Vorschullehrerin, und als wir nach der Mittagspause ins Klassenzimmer zurückkamen, war die Schlange da und griff uns an. Meine Mutter hat versucht, sie zu vertreiben, und dabei ist sie mehrfach gebissen worden. Damals gab
es die heutigen Behandlungsmethoden noch
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