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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Markt. Ich bring’ Katrin mit. Und jetzt mach, daß du da rauskommst !«
    Sie hängte ein. Jan starrte den Telefonhörer in seiner Hand zwei oder drei Sekunden lang völlig verständnislos an, dann legte er ihn mit einer betont langsamen Bewegung auf die Gabel zurück, schüttelte den Kopf und versuchte, dem soeben Gehörten irgendeinen Sinn abzugewinnen.
    Fast im gleichen Moment spürte er, daß er nicht mehr allein war.
    Das Gefühl war von beinahe körperlicher Intensität, fast wie eine Berührung. Jemand – etwas – war plötzlich hinter ihm aufgetaucht, etwas Düsteres, unglaublich Altes und Gefährliches und ganz und gar nicht Unbekanntes.
    Jan begann am ganzen Leib zu zittern Er wollte sich umdrehen, aber er konnte es nicht. Plötzlich war er wieder ein kleines Kind, das einen Alptraum träumte, in dem es von Monstern und gesichtslosen Ungeheuern verfolgt wurde, und das einfach die Augen zusammenpreßte und sich einredete, daß die Chimären es nicht sehen würden, solange es sie nicht sah.
    Aber das Ding kam näher.
    Es bewegte sich langsam und schleichend auf ihn zu, hob vielleicht in genau diesem Moment eine fürchterliche Klaue,mit der es sein Herz berühren und das Leben einfach aus ihm herausreißen würde.
    Jan raffte all seinen Mut zusammen und drehte sich mit einem Ruck herum
    Er war allein. Hinter ihm stand absolut niemand.
    Für einen ganz kurzen Moment glaubte er zwar so etwas wie einen Schatten zu sehen, der davonhuschte, aber er war ziemlich sicher, daß dieser Schatten nur in seiner Einbildung existierte. Der winzige Rest von logischem Denken, der ihm geblieben war, drohte an einer Sturmflut von Gefühlen und absurden Empfindungen zu zerbrechen, die über ihn hinwegspülte. Seine Phantasie erschuf die dazugehörigen Bilder.
    Und doch: Es gab keine wirkliche Gefahr.
    Niemand war hier.
    Nichts war gekommen, um ihn zu vernichten.
    Es waren einzig Veras Worte gewesen, die den namenlosen Schrecken heraufbeschworen hatten. Seine Psyche befand sich noch immer in Aufruhr. Die tiefen Wunden, die er in den letzten Tagen davongetragen hatte, waren noch längst nicht verheilt, und es gehörte nicht viel dazu, sie wieder aufzureißen.
    Jan klammerte sich einige Sekunden lang an diese Erklärung, und obwohl er tief in sich spürte, daß sie falsch war, tat sie schließlich ihre Wirkung. Sein hämmernder Puls beruhigte sich, und seine Hände hörten auf zu zittern. Die körperlose Furcht blieb, aber sie war jetzt auf ein Maß herabgesunken, mit dem er umgehen konnte.
    Er zog die Kamera aus der Tasche, machte eine Aufnahme. Dann drehte er sich halb herum und starrte die geschlossene Tür zu Veras Zimmer an.
    Das Gefühl, die Wohnung mit etwas Unheimlichem zu teilen, kam von dort. Es sickerte wie ein unsichtbares Gift durch das Holz und begann die Atmosphäre im Raum zu verpesten.
    Jan wußte, daß er sich vollkommen idiotisch benahm. Das einzige, was er vernünftigerweise jetzt tun sollte, wäre, hinüberzugehen und diese Tür aufzureißen, um seiner außer Rand und Band geratenen Phantasie zu beweisen, daß dahinter nichts anderes als ein leeres Zimmer war. Aber er konnte es nicht. Irrational oder nicht, ein Teil von ihm wußte einfach, daß das unsichtbare, tödliche Ding , das gerade hinter ihm gestanden hatte, nun hinter dieser Tür lauerte und daß es ihm etwas Entsetzliches antun würde, wenn er ihm zu nahe kam. Es wollte , daß er seine Anwesenheit spürte.
    Dieser unheimliche Bewohner der Schattenwelt war durchaus in der Lage, unsichtbar und völlig unbemerkt zu bleiben – wenn er es wollte. Im Moment offenbarte er sich ihm ganz bewußt, vielleicht, um sich an Jans Furcht zu laben. Vielleicht war es das, wovon die Kreatur lebte: Angst.
    Jan machte – fast ohne es zu merken – noch ein Foto von der Tür, dann begann er rückwärts aus dem Zimmer zu gehen. Seine Hände zitterten jetzt wieder. Er merkte es nicht. Ohne die Tür, hinter der der Dunkle lauerte, auch nur einen Sekundenbruchteil aus den Augen zu lassen, stolperte er aus dem Zimmer und tastete blind nach seiner Jacke.
    Als er sie vom Haken nahm, glaubte er eine Bewegung in dem Garderobenspiegel daneben wahrzunehmen.
    Er drehte sich um, und der Spiegel zerbarst.
    Es gab ein Geräusch, als kratzten riesige Fingernägel über eine Schiefertafel, und der Spiegel zerplatzte, wie von einem Faustschlag getroffen, in tausend Scherben.
    Jan zog erschrocken den Kopf ein und preßte die Augenlider zusammen, um sich vor den Millionen mikroskopisch

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