Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
gesprochen.« Katrin kam näher, ging um den Tisch herum und setzte sich auf den Stuhl, der am weitesten von der Couch entfernt war. »Ziemlich lange. Er ist ein netter Mann, weißt du? Er macht sich wirklich Sorgen um dich.«
    »Er ist Arzt«, antwortete Jan. »Er wird dafür bezahlt, sich Sorgen zu machen.«
    »Ich habe nicht den Eindruck«, antwortete Katrin. »Ich habe auch deine Schulden bezahlt. Und deine Papiere abgeholt.« Sie warf seine Brieftasche wütend auf den Tisch. »Sag mal, was hast du dir dabei eigentlich gedacht? Willst du dich umbringen?«
    »Jetzt übertreib aber bitte nicht! Ich hatte einen Schwächeanfall.«
    »Im Kopf, ich weiß.« Er konnte regelrecht sehen, wie Katrin sich zusammenriß. Die spitze Bemerkung war so typisch für sie, daß ihn ihr Ausbleiben eher überrascht hätte. Das waroffensichtlich ein Rückfall in ihr normales Verhalten, das sie sich offensichtlich bisher verkniffen hatte. Sie schwieg fast eine Sekunde, dann öffnete sie umständlich ihre Handtasche und kramte Zigaretten und Feuerzeug heraus. Erst nachdem sie sich eine West angezündet und einen tiefen Zug genommen hatte, sprach sie weiter, und das in ruhigem, ungewohnt sachlichem Ton.
    »Entschuldige. Ich habe versprochen, ruhig zu bleiben.«
    »So? Mir nicht.«
    Katrin überging den Einwurf. »Du hattest nicht nur einen ›kleinen Schwächeanfall‹, Jan. Du hattest einen Herzstillstand. Du wärst fast gestorben. Du gestattest also, daß wir uns Sorgen machen.«
    »Ich bin aber nicht tot.«
    »Weil du mehr Glück als Verstand gehabt hast«, antwortete Katrin heftig. »Und kaum hast du wieder genug Kraft, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, da benimmst du dich wie ein Zehnjähriger, der Angst vor dem Zahnarzt hat, und rennst davon. Würdest du mir freundlicherweise wenigstens verraten, warum?«
    »Weil ich …« Jan setzte zu einer Antwort an und brach schon nach zwei Worten wieder ab. Katrins ungewohnte Selbstbeherrschung erstaunte ihn nicht nur; sie nötigte ihm auch eine Offenheit ab, die er gar nicht vorgehabt hatte. Er schwieg einige Sekunden, dann richtete er sich ganz auf, beugte sich vor und griff nach Katrins Zigaretten. Sie runzelte mißbilligend die Stirn. Sie sagte zwar nichts, rührte aber auch keinen Finger, um ihm zu helfen, obwohl er sich so weit vorbeugen mußte, daß er beinahe Gefahr lief, von der Couch zu fallen.
    Jan inhalierte tief und ließ sich zurücksinken. Der Rauch schmeckte bitter, und er löste ein leises Schwindelgefühl aus, als wäre es seine erste Zigarette seit Wochen. Vielleicht war das bereits die Erklärung für alles, was ihm in den letzten zwölfStunden widerfahren war, dachte er. Aus irgendeinem Grund reagierte sein Körper extrem empfindlich auf äußere Einflüsse.
    »Nun?« fragte Katrin.
    Jan sog noch einmal an seiner Zigarette, drückte sie im Aschenbecher aus und begann zu erzählen. Er ließ nichts weg. Er versuchte nichts zu erklären oder auch nur zu deuten, sondern berichtete einfach alles, was er erlebt hatte; eingeschlossen dem, wovon er ziemlich sicher war, es sich nur eingebildet zu haben.
    Katrin hörte ihm schweigend zu. Sie rauchte ihre Zigarette zu Ende und zündete sich sofort eine neue an. Anfangs versuchte Jan vergeblich, in ihrem Gesicht zu lesen. Ihre Miene war vollkommen ausdruckslos, was ihm mehr über das sagte, was sie bei seinen Worten empfand, als ihr vermutlich selbst klar war.
    »Das ist die ganze Geschichte«, schloß er. »Ich weiß, daß es sich verrückt anhört …« Er versuchte zu lachen, aber es blieb bei einem kläglichen Versuch.
    »Jetzt, wo ich es erzähle, kommt es mir selbst wie vollkommener Schwachsinn vor. Aber in diesem Moment …«
    »Dein Vater«, sagte Katrin.
    Jan blickte fragend. Er verstand nicht, worauf Katrin hinauswollte.
    »Erinnerst du dich nicht?« Katrin verschleierte ihr Gesicht mit einer grauen Rauchwolke. »Du hast mir die gleiche Geschichte schon einmal erzählt. Nicht die gleiche, aber eine ähnliche.«
    Natürlich erinnerte er sich.
    Tief in sich drinnen hatte er das die ganze Zeit über getan, nur hatte er es – aus Gründen, die nur zu leicht nachzuvollziehen waren – nicht wahrhaben wollen. Jetzt, wo Katrin es aussprach, fragte er sich verblüfft, wie er es auch nur eine Sekunde lang nicht hatte erkennen können.
    »Das ist …«, begann er stockend.
    »… nur zu verständlich«, unterbrach ihn Katrin, eine Spur zu laut, aber trotzdem in versöhnlichem Ton, der ihre Sorge allerdings nicht ganz zu

Weitere Kostenlose Bücher