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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allein in der Kabine. Der Arzt setzte dazu an, etwas zu sagen, runzelte plötzlich die Stirn und betrachtete verwirrt die verchromte Wand. Dann schüttelte er den Kopf und streckte die Hand nach der Schalttafel neben der Tür aus.
    »Nein!« keuchte Jan.
    Mertens erstarrte mitten in der Bewegung. »Nein? Was, nein?«
    Unsichtbare Fingernägel kratzten an der anderen Seite der Tür. Etwas wollte herein.
    »Machen Sie … nicht die Tür auf«, bat Jan.
    Dr. Mertens betrachtete seine Hand, die noch immer wenige Zentimeter über der Schalttafel hing, als wäre sie ein Fremdkörper, dann schüttelte er den Kopf und ließ den Arm wieder sinken. Das Scharren an der Tür wurde immer lauter.
    »Ist Ihnen eigentlich klar, wie eigenartig Sie sich benehmen?« fragte Mertens.
    »Ja«, antwortete Jan. »Aber ich habe meine Gründe, glauben Sie mir.« Natürlich hatte er die. Einen Schatten, der ihm im Traum erschienen war und ihm befohlen hatte, das Krankenhaus so schnell wie möglich zu verlassen, weil etwas, von dem er nicht einmal wußte, was es war, hierherkommen würde, um ihm etwas anzutun, von dem er erst recht keine Ahnung hatte. Gute Gründe. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Mertens reagierte, wenn er ihm das erzählte.
    »Ich hoffe, daß Sie die haben«, sagte Mertens ernst. »Und ich hoffe auch, Sie sind sich darüber im klaren, daß Sie mit Ihrer Gesundheit spielen, wenn Sie jetzt einfach so gehen. Wenn nicht gar mit Ihrem Leben.«
    Als Jan nicht antwortete, sondern ihn – genauer gesagt, die Tür hinter ihm – nur weiter anstarrte, zuckte er mit den Schultern und zog einen Schlüsselbund aus der Tasche.
    »Erdgeschoß«, seufzte er, während er den entsprechenden Schlüssel herauskramte und den Lift damit aktivierte. »Spielzeug, Damenoberbekleidung und Notausgang für potentielle Selbstmörder.«
    Der Lift setzte sich summend in Bewegung, und forderndes Scharren und Kratzen blieb über ihnen zurück. Jan atmete auf. Verrückt oder nicht, dieser bizarre Alptraum schien gewissen, fast logischen Spielregeln zu gehorchen.
    »Danke«, sagte er.
    Mertens zuckte ärgerlich mit den Schultern. »Bedanken Sie sich nicht zu früh«, sagte er. »Ich tue Ihnen hiermit keinen Gefallen.«
    »Und Sie lassen mich trotzdem gehen?«
    »Das hier ist ein Krankenhaus, kein Gefängnis«, antwortete Mertens. »Sie sind alt genug, um zu wissen, was Sie tun und offenbar wenigstens teilweise im Besitz Ihrer geistigen Klarheit. Außerdem ist mir meine Zeit einfach zu kostbar, um sie mit Dummköpfen wie Ihnen zu vertun.«
    »Ich kann ja nach Ihnen rufen, wenn ich wieder zusammenklappe«, sagte Jan. Die Worte taten ihm schon leid, bevor er sie ganz ausgesprochen hatte, und Mertens reagierte auch entsprechend und maß ihn mit einem fast eisigen Blick. »Das ist nicht komisch«, sagte er.
    »Ich weiß«, gestand Jan. »Entschuldigen Sie.«
    Sie legten den Weg ins Erdgeschoß in unangenehmem Schweigen zurück. Mertens führte ihn aus dem Aufzug, durchzwei hintereinanderliegende Glastüren, die, offensichtlich von einem Bewegungssensor gesteuert, vor ihnen aufglitten und schließlich in die Eingangshalle des Krankenhauses.
    »Von hier aus finden Sie allein weiter, nehme ich an«, sagte Mertens kühl. »Gleich neben dem Ausgang befindet sich ein Taxistand.«
    Jetzt, da ihn die Wirklichkeit wiederhatte, wurde Jan plötzlich bewußt, daß er nichts bei sich hatte als die Kleider, die er am Leib trug. Wo der Hausschlüssel lag, wußte er; das war kein Problem. Aber er besaß weder Papiere noch Geld. Noch einmal zurückgehen? Nein! »Ich werde wohl per Anhalter fahren müssen.« Sein Grinsen gelang etwas kläglich.
    Mertens seufzte, fischte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und zog einen Hundertmarkschein heraus. »Wird das reichen?«
    Es würde zumindest reichen, um den Taxifahrer zu überzeugen, ihn mitzunehmen. Den Rest konnte er sich holen, wenn er erstmal zu Hause war.
    »Ich zahle es Ihnen zurück. Ganz bestimmt!« versicherte er.
    Mertens drehte sich mit einer rüden Bewegung herum, überlegte es sich dann aber noch einmal anders und wandte sich dann wieder an Jan.
    »Wenn ich Sie schon auf eigene Verantwortung gehen lasse – und das, gegen alle Vorschrift, ohne daß Sie mir eine Erklärung unterschreiben –, versprechen Sie mir wenigstens, sofort zu Ihrem Hausarzt zu gehen und ihm zu erzählen, was passiert ist?«
    »Ich habe keinen –«, begann Jan, brach dann aber mitten im Satz ab und sagte nur: »Ja.«
    Mertens’

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