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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die offizielle Konsultationszeit schon längst vorüber war. Katrins schrottreifes Golf Cabrio parkte noch immer am gegenüberliegenden Straßenrand. Unter dem Scheibenwischer klebte ein Strafzettel. Von Katrin selbst war keine Spur zu sehen. Typisch.
    Jan sah auf die Uhr und stellte fest, daß die Geschäfte in einer halben Stunde schlossen. Die Vorstellung, daß Katrin deutlich früher zurückkehren würde, war ziemlich kühn. Wahrscheinlicher war eher, daß sie deutlich später auftauchte, beladen mit ungefähr einer Tonne Kleinigkeiten und dem unschuldigsten Gesichtsausdruck, den man sich nur denken konnte.
    Jan seufzte. Es wurde wirklich Zeit, daß er besser verdiente. Wenigstens genug, daß sie sich einen zweiten Wagen leisten konnten.
    Leider half ihm dieser Gedanke im Moment nicht weiter. Fakt war, daß er hier stand, nicht weg konnte und zu allem Überfluß nicht einmal genug Geld in der Tasche hatte, um mitdem Taxi nach Hause zu fahren. Und daß wahrscheinlich eine Stunde vergehen würde, ehe Katrin von ihrem Raubzug durch die verkaufsoffene Innenstadt zurückkam. Jan verfluchte den Tag, an dem die Ladenschlußzeiten gelockert worden waren, sah sich unschlüssig um und überlegte, ob er in das Bistro gegenüber oder in das Steakhaus auf der anderen Seite des Marktplatzes gehen sollte. Fast zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, daß er ziemlich hungrig war.
    Ein kurzer Kontrollgriff zeigte ihm, daß er noch sieben oder acht Mark in der Tasche hatte. Die Fahrt vom Krankenhaus bis nach Neuss hatte ihn fast sein gesamtes Bargeld gekostet. Aber er war im Steakhaus gut genug bekannt, um schlimmstenfalls Kredit zu haben, falls Katrin nicht kam, um ihn auszulösen. Und er hatte Hunger.
    Jan warf einen letzten prüfenden Blick nach rechts und links – keine Spur von Katrin –, dann löste er sich mit einem resignierten Seufzer von seinem Platz und begann mit schnellen Schritten den Marktplatz zu überqueren.
    Jedenfalls wollte er es.
    Es ging nicht.
    Es war wie gestern abend, im Kino. Irgend etwas Furchtbares würde passieren, wenn er den Platz betrat. Es gab nicht die Spur einer logischen Erklärung für dieses Gefühl (nicht einmal eine unlogische ), aber es war einfach zu stark, als daß er dagegen ankam. Seine Beine verweigerten ihm einfach den Dienst.
    Jans Hände begannen zu zittern. Er spürte es, war aber unfähig, es zu unterdrücken. Er raffte all seine Kraft zusammen, zwang seine Beine, einen weiteren Schritt zu tun, und blieb abermals stehen. Sein Blick irrte fahrig über den großen, im Moment fast leeren Platz und versuchte, irgend etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Ohne Erfolg. Alles war so, wie es sein sollte: Vor ihm lag der große, größtenteils von Banken und einigen wenigen, dafür um so teureren Geschäften gesäumtePlatz, der auf der einen Seite von dem ebenso historischen wie baufälligen Zeughaus und auf der anderen von einer architektonischen Scheußlichkeit beherrscht wurde, in der sich das Rathaus verbarg. Auf den dreißig oder vierzig Parkplätzen stand nur eine Handvoll Wagen, und noch weniger Passanten hasteten durch das schwächer werdende Licht des Abends. An dem Anblick war absolut nichts Außergewöhnliches.
    Er war ungefähr so normal wie der einer Toilette in einem großen Kinocenter, während sämtliche Vorstellungen liefen und der nächste Schub Zuschauer noch nicht eingetroffen war …
    Hinter Jans Stirn begann eine Alarmglocke zu schrillen. Er war in Gefahr. Etwas … bewegte sich auf ihn zu. Etwas Dunkles, das eine fürchterliche Gefahr mit sich brachte, ihn aber gleichzeitig auch lähmte, so daß er nicht in der Lage war, auch nur einen Finger zu rühren, geschweige denn weiterzugehen.
    Das Schrillen mentaler Alarmglocken hielt an. Es klang jetzt zornig, wütend, und er sah aus den Augenwinkeln, wie plötzlich ein Schatten neben ihm auftauchte, einen rauchigen Umriß-Arm nach ihm ausstreckte – und ihn mit brutaler Kraft zur Seite riß.
    Jan schrie vor Schreck und nur den Bruchteil einer Sekunde später vor Schmerz auf, als etwas Riesiges, rot und weiß Gestreiftes so dicht an ihm vorbeirauschte, daß es seine linke Schulter streifte. Metall kreischte auf Metall, Funken stoben.
    Die Berührung war beinahe flüchtig. Trotzdem reichte die Wucht, mit der die Straßenbahn seine Schulter streifte, aus, ihn gute zwei Meter davonzuschleudern und ihn um ein Haar zu Boden zu werfen. Vermutlich wäre er gestürzt, hätte sein letzter, stolpernder Schritt nicht an der

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