Dunkel ueber Longmont
Bäume aus dem Nebel ragten. Der Leckerbissen war zu köstlich, als daß die Urgewalt ihn sich hätte entgehen lassen können. Die Flammenweberin verwandelte sich in ein gefräßiges Ungeheuer, einen Verschlinger. Die steinernen Gebäude des Marktes boten wenig Nahrung.
Sie streckte die Hand aus, umschloß einen Glockenturm und zog sich senkrecht hoch, dann raste sie, die Beine aus Flammen über den Dächern spreizend, auf den Wald zu.
Unten wurden Schreie des Entsetzens laut, als sie die Fallgatter der Königspforte erreichte. Soldaten, die die Türme zu beiden Seiten des Torwegs bemannten, gingen bei ihrem Näherkommen in Flammen auf, fielen als brennende Körper zu Boden, wie Fleischbrocken, die am Spieß eines Lagerfeuers schmorten.
Freund, Feind, Baum oder Haus – die Urgewalt der Flammenweberin scherte sich nicht darum, was sie verschlang. Um eine bessere Sicht zu haben, kletterte Gaborn eine Außentreppe hinter einer Schenke hoch. Dort hockte er sich gleich unter der Traufe eines Daches hin. Die steinernen Türme zu beiden Seiten des Fallgatters wurden rissig und schwarz vor Hitze, als die Urgewalt vorüberzog. Die eisernen Stäbe des Fallgatters schmolzen.
Als sie in den unteren Innenhof weitereilte, zu den Stadttoren, erhoben sich Hunderte von Stimmen wie ein Mann und brüllten Furcht und Grauen heraus.
Bei den äußeren Toren angekommen, verlor die Flammenweberin vollends ihre menschliche Gestalt und verwandelte sich statt dessen in eine schleichende Feuersäule.
Sie erklomm die Stadtmauer gleich oberhalb der Zugbrücke und stand einen Augenblick über den Türmen, vielleicht aus Angst vor dem Burggraben. Ein Gesicht flackerte in den Flammen auf, das Gesicht einer Frau, das sich sehnsuchtsvoll nach den hölzernen Hütten im unteren Teil der Stadt umsah, unten beim Butterweg.
Dann sprangen die Flammen über die Mauer, über den Burggraben hinweg und rasten über die Felder auf den Dunnwald zu.
Gaborn wurde sich wieder des fernen Schlachtlärms bewußt, der Hörner der Soldaten seines Vaters, die auf den nebeligen Feldern zum Rückzug bliesen. Sein Herz hatte so laut geklopft, daß er eine halbe Minute lang kein anderes Geräusch wahrgenommen hatte.
Die hellen Flammen der Urgewalt loderten auf und zerrissen die Nebeldecke. In diesem Licht sah Gaborn – als würden sie von einem Blitz beleuchtet – drei Soldaten mitten unter den Nomen kämpfen, sah, wie sie ihre riesigen Reiteräxte über den Köpfen schwangen, in wütendem Kampf gefangen.
Dann waren die Soldaten verschwunden, vom Feuer verzehrt. Die Urgewalt begann, über die Ebene hinwegzufegen, so gierig auf trockenes Gras und Holz und Menschenleben, daß sie vollkommen darin aufzugehen, das Bewußtsein zu verlieren und nichts weiter als ein Feuerstrom zu werden schien, der über die Felder raste.
Gaborn wurde übel. Als die Urgewalt Rowan berührt hatte, war es ihm fast so vorgekommen, als hätte sie auch ihn durchbohrt. Jetzt hörte er verzweifelte Rufe von den Feldern, die sich mit den Schreien der Verletzten und Sterbenden hier auf Burg Sylvarresta mischten. Er wurde Rowans letzten, erschütterten Blick nicht los. Fast ein Blick des Verrats.
Er wußte nicht, ob es gut gewesen war oder schlecht, die Flammenweberin zu erschlagen. Er mußte an Rowans Gesicht denken, an die Flammen, die sie durchbohrt hatten. Das Töten der Flammenweberin war ungestüm gewesen – beinahe ein Reflex, der irgendwie richtig schien und dennoch böse Folgen hatte.
Zur Zeit verhinderten die Feuerwände, die über den Feldern aufstiegen, daß Raj Ahten Burg Sylvarresta verlassen und seine Männer in die Schlacht schicken konnte. Vielleicht ist das der rettende Glücksfall für meine Männer, dachte Gaborn.
Möglicherweise auch nicht. Gaborn hatte keine Ahnung, wie viele seiner Soldaten in diesem Feuersturm umgekommen waren. Er hoffte nur, daß die Männer die feurige Urgewalt bei diesem Nebel auf den Burgmauern hatten sehen können und geflohen waren.
Im Innern der Burganlage lagen überall Tote und Sterbende.
Dutzende, vielleicht Hunderte von Raj Ahtens Soldaten waren in den Flammen verbrannt. Die Fallgatter der Königspforte waren geschmolzen.
Die riesige Zugbrücke aus Eichenholz zum äußeren Tor brannte unter Gaborns Augen lichterloh, von den Türmen seitlich davon waren nur Ruinen geblieben. Der Mechanismus zum Heben und Senken der Brücke war im Chaos der Verwüstung geschmolzen.
Mit einem einzigen zerstörerischen Hieb seines Degens hatte Gaborn die
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