Dunkel ueber Longmont
keine Worte.
»Ich werde dem Bastard den Kopf abschlagen«, beschloß Gaborn. »Ich werde einen Weg finden, aber zuerst müssen wir lebend hier rauskommen. Werdet Ihr mich begleiten, wenn ich Euren Vater ebenfalls aus der Stadt schaffe?«
Er ergriff ihre Hand, und als er sie berührte, verflog alle Dunkelheit. Iomes Herz klopfte. Sie traute sich fast nicht, ihrem Glück zu trauen, denn als sie ihm in die Augen sah, verschwanden all ihre Ängste, all ihr Selbsthaß, das Gefühl, häßlich zu sein. Es war, als wäre er ein lebender Glücksbringer, der eine Veränderung bis in ihr Herz bewirkte.
Eine Festung aus Stein, dachte sie. Eine Stätte der Geborgenheit.
»Bitte«, flehte er und setzte die ganze Kraft seiner Stimme ein.
Sie nickte benommen. »Ich komme mit.«
Gaborn drückte ihre Hand. Ihr Herz flatterte, als er sagte: »Ich weiß zwar nicht wie, aber ich werde Euch und Euren Vater aus dem Bergfried der Übereigner holen – bald.«
Wieder spürte Iome diese sinnliche Erregung, diese Sehnsucht, die sie mit Binnesmans Gegenwart verband. Ihr Herz klopfte. Gerade eben hatte er sie zärtlich festgehalten, als besäße sie noch immer ihre Anmut, als wäre sie noch immer wunderschön.
Er machte kehrt, nahm einer Leiche das Kurzschwert ab und steckte es in die Falten seines Gewandes. Dann verließ er schnell das Grabmal, und für einen kurzen Augenblick verdeckte sein Schatten das kalte Licht der Sonne.
Während er davonging, wagte sie fast nicht zu glauben, daß er sie holen und retten würde. Doch ein warmes Gefühl der Gewißheit erfüllte sie. Ja, er würde wiederkommen.
Als er fort war, meinte ihre Days: »Vor dem solltet Ihr Euch in acht nehmen.«
»Warum?«
»Er könnte Euch das Herz brechen.«
Iome kam nicht umhin, in der Stimme der Days einen seltsamen Unterton zu bemerken. Sie klang respektvoll. Iome hatte fürchterliche Angst. Wenn Raj Ahten sie bei ihrem Fluchtversuch ergriff, würde er ihr keine Gnade zeigen.
Trotzdem wußte sie, ihr Herz schlug nicht aus Angst, sondern aus einem anderen Grund. Sie legte ihre Hand auf die linke Brust und versuchte, es zu beruhigen. Ich glaube, er hat es schon gebrochen, dachte sie bei sich.
KAPITEL 18
Duell der Täuschungen
Zwei Stunden, nachdem Gaborn Iome bei den Grabmalen zurückgelassen hatte, ritt Borenson zu den zerstörten Toren von Burg Sylvarresta hinauf. Eine Waffenstillstandsfahne flatterte an der Lanze eines toten Nomens. Er zwang sich zu lächeln.
Seine Muskeln schmerzten, und seine Rüstung war blutverschmiert. Er ritt jetzt das frische Pferd eines Kameraden, der nie mehr reiten würde.
Es würde auf ein geistiges Kräftemessen mit Raj Ahten hinauslaufen, ein Spiel, das er nicht spielen wollte. Das Glück war ihm nicht hold gewesen. Die meisten seiner Krieger waren erschlagen. Für jeden kleinen Sieg hatte er teuer bezahlt. Dem größten Teil der Armee des Wolflords hatte er die Pferde genommen, und es war ihm gelungen, eine Schar von Frowth-Riesen zu erschlagen und zu vertreiben – während ein weiteres Dutzend dieser Wesen in diesem wahnwitzigen Feuer umgekommen war. Viele von Raj Ahtens Unbesiegbaren hatten Borensons Männer in den Wald hinein verfolgt, und jetzt steckten sie besiegt so voller Pfeile, daß sie stachelig wie Igel aussahen.
Aber Borenson hatte keinen eindeutigen Sieg davongetragen, trotz schwerer Feindverluste. Raj Ahten hatte die Verfolgung von Borensons Männern aufgegeben, als sie tiefer in den Wald eindrangen, denn er hatte Angst vor einem Hinterhalt. Teils hatte Borenson gehofft, der Wolflord würde die Herausforderung der Wälder annehmen, wo seine eigenen Leute, dessen war er sicher, im Vorteil wären.
Borenson hatte allerdings auch gewollt, daß Raj Ahten den Hinterhalt fürchtete. Es war ihm wichtig, ihn glauben zu machen, der Wald stecke voller Soldaten. König Orden hatte gesagt, man könne auch einen Mann von großer Geisteskraft überlisten, denn »selbst des weisesten Mannes Pläne sind nur so gut wie seine Information.«
So kam es, daß Borenson zu den Toren von Burg Sylvarresta hinaufritt und sein Pferd am Graben zügelte. Und dabei lächelte.
Auf der ruß geschwärzten Mauer über den zerstörten Tortürmen schwenkte einer von Raj Ahtens Soldaten seine Lanze dreimal über dem Kopf und winkte ihm, in die Burg zu kommen. Die Zugbrücke war heruntergelassen, ihr Mechanismus und die Ketten geschmolzen. Eine Seite der Zugbrücke war so verkohlt, daß sie ein Loch hatte, groß genug, daß ein Mann mit Pferd
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