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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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die schweigend ein paar Schritte entfernt stand. Das wäre nicht schicklich. Dennoch gab es Fragen, die sie ihm stellen mußte.
    Iome erhob sich.
    »Ihr wollt Euch doch nicht etwa den Unterkommandanten ansehen, oder, Prinzessin?« fragte Clewes. Er mußte die Verärgerung in ihren Augen bemerkt haben. »Ich meine es ist ein schlimmer Anblick.«
    »Es wäre nicht das erste Mal, daß ich verwundete Soldaten sehe«, erwiderte sie unerschütterlich. Sie blickte hinaus über die Stadt. Der Garten, ein kleiner Flecken Gras mit beschnittenen Hecken und ein paar zurechtgestutzten Sträuchern, befand sich im Innern der Königsmauer, der zweiten von drei Mauern innerhalb der Stadt. Von hier aus konnte sie vier der Gardisten des Königs auf dem Wehrgang vor der Brustwehr erkennen. Im Osten jenseits davon lag der Stadtmarkt, gleich innerhalb der Außenmauer des Schlosses.
    Von hier aus sah die Marktgegend aus wie das reinste Wirrwarr von Schieferdächern, manche auch bedeckt mit einer Schicht aus Sand und Blei. Dieser Teil der Stadt bildete ein Labyrinth verschlungener schmaler Straßenschluchten. Hier und da stieg Rauch auf. Vierzehn weniger bedeutende Lords besaßen Häuser innerhalb der Stadtmauern.
    Iome blickte dorthin, wo sie die Katzengasse vermutete, eine enge Marktstraße, die unmittelbar vom Butterweg abging. Die sich mal hier-mal dorthin neigenden Häuser der Händler waren kardinalrot, kanariengelb oder grün gestrichen, als könnten solch leuchtende Farben den allgemeinen Verfall von Gebäuden verdecken, die seit fünfhundert Jahren auf ihren schiefen Fundamenten ruhten.
    Die Stadt wirkte nicht anders als gestern. Iome sah nichts als Dächer. Von Mördern keine Spur.
    Außerhalb der Schloßmauern aber, hinter den Bauernhöfen und Heuwiesen, in den rötlichen Hügeln des Dunnwaldes nach Süden und Westen, stieg von den Straßen meilenweit in kleinen Wolken Staub auf. Menschen reisten aus fernen Königreichen zum Jahrmarkt an. Bereits jetzt waren draußen vor den Toren Dutzende bunter Seidenpavillons errichtet worden. In den nächsten Tagen würden nicht, wie gewöhnlich, zehntausend Menschen, sondern die fünf-oder sechsfache Anzahl die Stadt bevölkern.
    Iome drehte sich zum Unteroffizier um. Clewes erschien ihr als ein recht kalter Bote für eine dermaßen schlechte Nachricht. Bei dem Kampf war viel Blut vergossen worden.
    Das konnte Iome sehen. Die Stiefel des Unteroffiziers waren dunkelrot verschmiert, der silberne, auf den Rücken seiner Tracht gestickte Bär zeigte braunrote Spritzer. Der Unteroffizier mußte Unterkommandant Dreys persönlich auf das Gemeindeland getragen haben.
    »Der Mörder hat also zwei Männer umgebracht und einen dritten verwundet«, stellte Iome fest. »Ein schwerer Blutzoll für einen einfachen Streit. Habt Ihr den Gewürzhändler eigenhändig ins Jenseits befördert?« Wenn ja, entschied sie, dann würde der Unteroffizier eine Belohnung erhalten.
    Vielleicht eine juwelenbesetzte Nadel.
    »Nein, meine Dame. Äh, wir haben ihn ein wenig zurechtgestutzt, aber er lebt noch. Er ist aus Muyyatin. Ein Kerl namens Hariz Al Jwabala. Wir haben es nicht gewagt, ihn zu töten. Wir wollten ihn verhören.« Der Unteroffizier kratzte sich seitlich an der Nase. Daß sie den Händler am Leben gelassen hatten, gefiel ihm ganz und gar nicht.
    Iome ging langsam auf das Tor zum Schloßhof zu, sie wollte Chemoise beistehen. Mit einem Nicken bedeutete sie dem Unteroffizier zu folgen, ebenso ihrer Days.
    »Verstehe…«, sagte Iome nachdenklich. Ein reicher Kaufmann also, von einem zweifelhaften Volk. Der wegen des Jahrmarktes nächste Woche in die Stadt gekommen war. »Und was hatte der Gewürzhändler aus Muyyatin vor Anbruch der Dämmerung in der Katzengasse zu suchen?«
    Unteroffizier Clewes biß sich auf die Lippe, als wollte er die Antwort lieber für sich behalten, dann sagte er kühl: »Er hat spioniert, wenn Ihr mich fragt.« Seine Stimme erstickte vor Wut, und schließlich löste er den Blick von den steinernen Wasserspeiern hoch oben an der Mauer des Hochturms und wandte ihn kurz Iome zu, um ihre Reaktion abzuschätzen.
    »Ich frage Euch«, sagte Iome. Clewes entriegelte umständlich das Tor und ließ Iome und ihre Days durch.
    »Wir haben die Gasthäuser überprüft«, erklärte Unteroffizier Clewes. »Der Händler hat gestern abend in keinem von ihnen getrunken, sonst wäre er Schlag zehn aus dem Händlerviertel hinausgeführt worden. Er kann sich also nicht innerhalb der Stadtmauern betrunken

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