Dunkel ueber Longmont
seltsames Gefühl als hätte ihn eine große Macht gepackt. Er konnte diese Macht fühlen, wie einen drückenden Wind, der ihn einkreiste, unsichtbar, mächtig, beeindruckend.
Gaborns Puls raste. Er sah sich um, sicher, daß der Ursprung dieses Gefühls irgendeinen Grund haben mußte eine Verschiebung in der Erde als Vorbereitung auf ein Erdbeben, ein heraufziehendes Unwetter. Nur bemerkte er nichts Außergewöhnliches. Die Umstehenden wirkten nicht beunruhigt.
Und doch fühlte er… wie die Erde sich darauf vorbereitete, sich unter seinen Füßen zu bewegen wie die Felsen sich verschoben, oder atmeten oder schrien.
Es war ein entschieden seltsames Gefühl.
So rasch, wie dieses plötzliche Gefühl von Kraft aufgekommen war, so schnell war es wieder vorbei. Einem Windstoß gleich, der über eine Wiese weht und alles hinter sich sachte durcheinanderbringt.
Gaborn wischte sich den Schweiß von der Stirn; das Gefühl hatte ihn beunruhigt. Tausend Meilen bin ich gereist, um einem fernen, einem noch nie gehörten Ruf zu folgen. Und jetzt das hier. Es schien verrückt. Er fragte die anderen: »Habt Ihr -spürt Ihr auch etwas?«
KAPITEL 3
Von Rittern und Bauern
Als Chemoise davon unterrichtet wurde, daß ihr Verlobter während seines Wachdienstes überfallen und von irgendeinem Gewürzhändler ausgeplündert worden war.
schien ihr die Morgensonne schwarz zu werden und alle Wärme zu verlieren. Ihr war, als hätte sie selbst sich in bleichen Ton verwandelt, als hätte ihre Haut alle Farbe verloren und sei nicht länger imstande, ihre Seele zu umhüllen.
Prinzessin Iome Sylvarresta sah Chemoise, ihre Hofdame und liebste Freundin, an und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, sie zu trösten. Wäre Lady Jollene hiergewesen, sie hätte gewußt, was zu tun wäre. Doch die Wirtschafterin war für einige Wochen fortgerufen worden, um ihre Großmutter zu pflegen, die schwer gestürzt war.
Iome, ihre Days und Chemoise waren bereits im Morgengrauen auf den Beinen gewesen, hatten neben dem riesigen, U-förmigen Stein des Geschichtenerzählers im kunstvoll gestutzten Garten der Königin gesessen und die neuesten, romantischen Gedichte von Adalle gelesen, als Unteroffizier Clewes hereinplatzte und ihre Träumerei unterbrach.
Er brachte die Nachricht von einem Streit mit einem betrunkenen Kaufmann. Vor einer Stunde. In der Katzengasse.
Unterkommandant Dreys. Kämpfte tapfer. Ringt mit dem Tod.
Vom Schoß bis zum Herzen aufgeschlitzt. Rief noch im Fallen Chemoises Namen.
Sie nahm die Nachricht gleichmütig entgegen, falls man Statuen Gleichmut unterstellen kann. Starr hockte sie auf der steinernen Bank, die haselbraunen Augen ins Leere gerichtet.
Ihr langes, weizenfarbenes Haar bewegte sich sachte im Wind.
Während Iome vorlas, hatte sie eine Kette aus Gänseblümchen geflochten. Die ließ sie nun in den Schoß sinken, auf ein Kleid aus korallenfarbenem Chiffon. Fünfzehn, und schon das Herz gebrochen. Sie hatte in zehn Tagen heiraten sollen.
Dennoch traute sie sich nicht, ihre Gefühle zu zeigen. Eine wahre Lady sollte in der Lage sein, solche Nachrichten mühelos zu verkraften. Sie wartete auf Iomes Erlaubnis, ihren Verlobten aufsuchen zu dürfen.
»Danke, Clewes«, sagte Chemoise, während der Unteroffizier vor ihr strammstand. »Wo ist Dreys jetzt?«
»Wir haben ihn draußen auf das Gemeindeland gelegt, vor den Turm des Königs. Ich wollte ihn nicht weiter transportieren. Die anderen wurden unten beim Fluß aufgebahrt.«
»Die anderen?« erkundigte sich Iome. Sie saß neben Chemoise und ergriff jetzt die Hand des Mädchens. Wie kalt sie geworden war, wie kalt!
Clewes war alt für seinen niedrigen militärischen Rang. Sein sauber gestutzter Bart lugte unter dem durchbrochenen Riemen seines eisernen Lanzenträgerhelms hervor.
»Nun, Prinzessin«, meinte er, und zum ersten Mal, seit er in den Garten hereingeplatzt war, dachte er daran, die Prinzessin korrekt anzusprechen, »zwei Mann der Stadtgarde sind bei dem Kampf ums Leben gekommen. Poll, der Junker, und Sir Beauman.«
Iome drehte sich zu Chemoise um. »Geht zu ihm«, sagte sie.
Das Mädchen bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Sie sprang auf und rannte den Pfad zu den Gärten mit den kunstvoll beschnittenen Bäumen bis zu dem kleinen, hölzernen Schloßhoftor hinunter, öffnete es und verschwand um die Ecke hinter der steinernen Mauer.
Iome wagte nicht, lang allein in der Gegenwart des Unteroffiziers zu bleiben, mit niemandem außer der Days bei ihr,
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