Dunkel ueber Longmont
daher bereit, über die vielen Wachen in den Karawanen hinwegzusehen, und von Lord Sylvarresta und seinen Männern abgesehen sorgten sich nur wenige wegen der Elefanten in ihrer Mitte.
Nach Sonnenuntergang kam ein kalter Wind auf, und vom Fluß zog Nebel auf. Ein Nebel, der die Stadt in Dunst hüllte, der bis an die Brustwehr der äußeren Mauer herankroch.
Kein Mond schien am Himmel. Nur Sterne. Helle, ewige Diademe, die im Reich der Nacht erstrahlten.
So durfte es nicht überraschen, daß es den Meuchelmördern gelang, unbeobachtet über die äußere Mauer zu gelangen.
Vielleicht waren die Männer tagsüber in die Stadt gekommen, hatten sich als Händler ausgegeben und sich dann in irgendeinem Taubenschlag oder dem Stall eines Gutshauses versteckt. Oder vielleicht machten sie sich beim Ersteigen der Mauern auch die Nebelschleier zwischen den Schartenbacken zunutze.
Es war auch keine Überraschung, als ein einsamer Posten auf dem Bergfried des Königs schattenhafte Gestalten erspähte, die, schwarzen Spinnen gleich, in der Nähe des Butterweges über die Königsmauer kletterten.
Der König hatte zusätzliche Posten aufgestellt, die in dieser Richtung Ausschau halten sollten. Tatsächlich spähten Augen aus jeder Schießscharte entlang jedes Turms.
Nein, es war keine Überraschung, daß die Meuchelmörder in jener Nacht versuchten, die Mauer zu ersteigen. Doch selbst die Gardisten waren erstaunt, wie schnell die Meuchelmörder kamen, wie lautlos und wie todbringend. Nur Männer mit Gaben des Stoffwechsels waren in der Lage, sich so rasch zu bewegen, so rasch, daß man, blinzelte man mit den Augen, fast glaubte, man habe sie nicht gesehen. Eine solche Gabe zu übernehmen war Selbstmord: eine Gabe des Stoffwechsels ermöglichte es, daß man sich fast doppelt so schnell bewegte wie ein normaler Mensch, sie ließ den Besitzer aber auch mit doppelter Geschwindigkeit altern.
Als der Weitseher des Königs. Sir Milliam, die Mauerersteigung beobachtete, vermutete er allerdings, daß einige dieser Meuchelmörder sich mit der dreifachen für Menschen üblichen Geschwindigkeit bewegten. Mit solchen Gaben versehene Männer waren nach zehn Jahren verbraucht, nach fünfzehn tot.
Und nur Männer mit übermenschlicher Kraft konnten diese Mauer ersteigen, sich mit Zehen und Fingern Halt suchend in die Spalten des Mauerwerks stemmen. Sir Milliam konnte nicht einmal abschätzen, wie viele Gaben der Muskelkraft ein jeder dieser Meuchelmörder besaß.
Milliam hatte das alles aus dem Innern des Königsturmes beobachtet. Mit Gaben der Sehkraft von sieben Männern war er für diesen Posten bestens geeignet. Jetzt rief er leise an der Tür zum Gemach des Königs: »Mein Lord, die Gaste sind eingetroffen.«
König Sylvarresta hatte mit dem Rücken zur Wand im alten Lieblingslesesessel seines Vaters gesessen, das umfangreiche Werk des Emirs Owatt von Tuulistan studiert und versucht, herauszufinden, welche von Raj Ahtens Schlachttaktiken originell genug waren, daß er, nur um sie geheimzuhalten, seine Meuchelmörder senden würde. Jetzt blies Sylvarresta seine Lampe aus, trat in den Erker und blickte durch eine klare Scheibe des bunten Glasfensters nach draußen. Das Fenster war so alt, daß das Glas wellig und verzogen und wie geschmolzene Butter zerlaufen war.
Die
Meuchelmörder
hatten
soeben
die
letzte
Verteidigungsmauer von Burg Sylvarresta erreicht, die Mauer des Bergfrieds der Übereigner, in dem jene Menschen untergebracht waren, die dem Haus Sylvarresta für die königliche Familie und deren Soldaten Gaben abgetreten hatten.
Raj Ahtens Meuchler waren also gekommen, um Sylvarrestas Übereigner zu vernichten, diejenigen zu ermorden, deren Verstand, Kraft und Lebensenergie die Truppen des Königs stärkte.
Ein gemeiner, ein niederträchtiger Akt. Die Übereigner konnten sich nicht schützen. Die brillanten jungen Männer, die Gaben der Geisteskraft abgetreten hatten, konnten ihre Rechte nicht mehr von der Linken unterscheiden. Wer Muskelkraft abgetreten hatte, lag jetzt da wie ein Kleinkind, zu schwach, aus seinem Bett zu kriechen. Es war feige, Übereigner umzubringen.
Und doch war es traurigerweise nur zu oft die einfachste Möglichkeit, einen Runenlord anzugreifen. Indem man diejenigen umbrachte, die ihm Kraft und Unterstützung gaben, beraubte man einen Lord seiner Stärke und machte ihn zu einem ganz gewöhnlichen Menschen.
Während der Überfall stattfand, blieb Lord Sylvarresta kaum Zeit, seine Truppen zu
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