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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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an einen Runenlord verschwenden, der nur für sich selber lebt.«
    Das waren die Worte, die Königin Orden ihren Sohn gelehrt hatte. Sie war eine starke Frau gewesen, die Gaborn gezeigt hatte, daß sich unter der harten Schale seines Vaters ein Mann von festen Prinzipien verbarg. Ja, es stimmte, in den vergangenen Jahren hatte König Orden den Armen Gaben abgekauft. Doch während einige dieses Verhalten moralisch für bedenklich hielten und dahinter pure Ausbeutung vermuteten, hatte König Orden dies anders gesehen. Er hatte gesagt: »Manche Menschen lieben Geld mehr als ihre Nächsten. Warum sollte man diese Schwäche nicht zum eigenen Vorteil nutzen?« In der Tat, warum nicht? Es war ein gutes Argument von einem Mann, der in seinem Königreich alles zum Besseren führen wollte. In den vergangenen drei Jahren aber hatte sein Vater diesen Brauch aufgegeben und aufgehört, Gaben von den Armen entgegenzunehmen. Er hatte Gaborn erklärt: »Ich habe mich geirrt. Ich würde fortfahren wie bisher, wäre ich nur klug genug, die Motive anderer Menschen einschätzen zu können.« Die Armen aber, die darauf aus waren, Gaben zu verkaufen, hatten dafür gewöhnlich viele Gründe: selbst die feigsten unter ihnen legten eine Liebe für Familie und Anverwandte an den Tag, die sie adelte, daher konnten sie sich einbilden, durch ihre Tat einen Akt der Selbstaufopferung zu begehen. Doch dann gab es auch die verzweifelten Armen, die, die keinen anderen Ausweg aus der Armut sahen. »Kauft mein Gehör«, hatte ein Bauer Gaborns Vater einst nach der großen Flut vor vier Jahren angefleht. »Was brauche ich meine Ohren, wenn ich nichts anderes höre als das Schreien hungriger Kinder?«
    Die Welt war voller verzweifelter Geschöpfe, voller Menschen, die aus dem einen oder anderen Grund das Leben aufgegeben hatten. Gaborns Vater hatte das Gehör des Bauern nicht angenommen. Statt dessen hatte er den Mann für den Winter mit Vorräten versorgt, ihm Holz und Arbeiter für den Wiederaufbau seines Hauses zur Verfügung gestellt und dazu Saatgut für das Bestellen der Felder im kommenden Frühjahr.
    Hoffnung. Er hatte dem Mann Hoffnung gegeben. Gaborn fragte sich, welche Meinung Iome von ihrem Vater hätte, wenn sie von dieser Geschichte wüßte. Vielleicht würde sie besser über ihn denken. Er hoffte, daß sie das noch erlebte.
    Gaborn sah zwischen den Stämmen der Bäume, schwarzen Balken vor dunklem Hintergrund, nach oben. Der Blick hinüber zur Stadt, zu den Burgmauern, erfüllte ihn mit Verzweiflung.
    Ich kann wenig tun, um Raj Ahten zu bekämpfen, überlegte er. Es stimmte, er konnte sich vielleicht in der Stadt verstecken, vielleicht da und dort einen Soldaten hinterrücks überfallen.
    Aber wie lange würde er durchhalten? Wie lange würde es dauern, bevor er gefaßt wurde?
    Lange nicht.
    Aber was bin ich meinen Untergebenen für eine Hilfe, wenn ich jetzt davonlaufe? überlegte Gaborn. Er hätte mehr tun sollen. Er hätte versuchen sollen, Iome zu retten, und Binnesman… und all die anderen.
    Sicher, sein Vater mußte erfahren, daß Burg Sylvarresta gefallen war, und er mußte wissen, auf welche Weise sie eingenommen worden war.
    Außerdem zog es Gaborn nach Hause. Wie sehr er die Stärke der Menschen in Heredon auch bewunderte – die stattlichen Gebäude aus Stein mit ihren hohen Decken, die so kühl und luftig waren, die Lustgärten hinter jeder Ecke –, war ihm dieser Ort dennoch nicht vertraut.
    Acht Jahre lang war Gaborn nur selten im Palast gewesen, hatte fast seine ganze Zeit gut fünfzig Meilen von zu Hause entfernt verbracht, im Haus des Verstehens mit seinen resoluten Lehrern und karg möblierten Schlafsälen. Er hatte sich darauf gefreut, nach dieser Reise nach Hause zu kommen.
    Seit Jahren schon sehnte er sich danach, in dem großen, mit Baumwolle gestopften Bett seiner Kindheit zu schlafen, aufzuwachen und den Morgenwind zu spüren, der von den Weizenfeldern durch seine Spitzenvorhänge hereinwehte.
    Er hatte sich vorgestellt, den Winter über gut zu essen, Schlachttaktiken bei seinem Vater zu studieren, sich mit den Soldaten aus der Wache zu duellieren. Borenson hatte versprochen, ihm einige der besseren Bierschänken in Mystarria zu zeigen. Und dann war da Iome, deren Beliebtheit beim Volk ihn verführt hatte, wie keine andere dies konnte. Er hatte gehofft, sie mit nach Hause zu nehmen.
    So viel Gutes hatte er sich vorgestellt.
    Gaborn wollte nach Hause. Dieser Wunsch, umsorgt zu werden, sorgenfrei zu leben, als wäre

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