Dunkel ueber Longmont
er ein Kind, war natürlich närrisch.
Sehr wohl erinnerte er sich, wie er als Kind im Garten unter Haselnußsträuchern mit seinem alten, rotfelligen Hund Kaninchen gejagt hatte. Er erinnerte sich an Tage, an denen sein Vater ihn zum Forellenfischen im Tauflutbach mitgenommen hatte, wo sich die Trauerweiden tief über das Wasser neigten und grüne Spannerlarven an seidenen Fäden von den Weidenästen herabhingen, als wollten sie die Forellen necken. Damals schien das Leben ein endloser Sommer zu sein.
Aber Gaborn konnte nicht zurück.
Schon die Vorstellung, Burg Sylvarresta lebend zu verlassen, ließ ihn verzweifeln.
Im Augenblick sah er keinen überzeugenden Grund, von hier zu fliehen. Gaborns Vater würde früh genug vom Fall der Burg erfahren. Bauern würden die Geschichte überall herumerzählen. König Orden war auf dem Weg hierher. Drei Tage vielleicht noch. Morgen würde er davon hören.
Nein, Gaborn brauchte seinen Vater nicht zu warnen. Er mußte Rowan in Sicherheit bringen, an einen warmen Ort, wo sie sich auskurieren konnte. Er mußte Iome helfen. Und er war eine noch größere Verpflichtung eingegangen.
Er hatte einen Schwur geleistet, der Erde niemals Schaden zuzufügen. Der Eid sollte leicht zu halten sein, überlegte er, schließlich wollte er der Erde nichts Böses. Doch während er darüber nachdachte, fragte er sich, welchen Zweck dieser Eid hatte. Zur Zeit brannten die Flammenweber Binnesmans Garten nieder. War Gaborn verpflichtet, gegen sie vorzugehen und sie daran zu hindern?
Fragend horchte er tief in sein Herz hinein, versuchte den Willen der Erde in dieser Angelegenheit zu ergründen.
Plötzlich wurde das Feuer auf dem Hügel heller, oder vielleicht wurde der Widerschein jetzt auch von den Rauchwolken im Himmel zurückgeworfen. Der Geruch des süßen Qualms waren ekelerregend. Jenseits des Flusses bellte ein Nomen. Andere hörte Gaborn knurren. Es hieß, Nomen hätten Angst vor Wasser. Er hoffte, daß diese groß genug war, damit sie auf der Suche nach ihm nicht durch den Fluß schwammen.
Was den Garten anbetraf, so spürte Gaborn nichts. Weder das Verlangen, den Brand zu löschen, noch ihn einfach hinzunehmen. Hätte Binnesman darum kämpfen wollen, hätte er es ganz bestimmt getan.
Gaborn stapfte leise aus dem Wasser heraus und ging zu Rowan, die immer noch unter den Weiden kauerte.
Er legte den Arm um sie, hielt sie fest und fragte sich, was sie tun, wo sie sich verstecken sollten. Er wünschte sich, er könnte in diesem Augenblick im Boden versinken, wünschte sich ein tiefes Loch, in das er kriechen konnte. Und er spürte… daß dieser Wunsch rechtens war, spürte, daß die Erde ihn auf diese Weise beschützen würde.
»Kennst du einen Platz hier in der Stadt, wo wir uns verstecken können, Rowan? Einen Keiler, eine Höhle?«
»Verstecken? Schwimmen wir nicht hinüber?«
»Das Wasser ist zu flach und zu kalt. Man kann nicht darin schwimmen.« Gaborn fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich werde hierbleiben und so gut es geht gegen Raj Ahten kämpfen. Er hat Soldaten und Übereigner hier. Am besten kann ich ihm einen Schlag versetzen, wenn ich bleibe.«
Rowan schmiegte sich an ihn, suchte nach Wärme. Ihre Zähne klapperten. Er spürte quälend ihren weichen Busen an seiner Brust, ihr Haar, das an seine Wange wehte. Sie zitterte, vielleicht mehr, weil sie fror, als vor Angst. Sie war beim Kriechen durch den Fluß naß geworden, und sie besaß nicht Gaborns Durchhaltevermögen, um sich gegen die Kälte zu schützen.
»Ihr bleibt, weil Ihr Angst um mich habt«, sagte sie leise mit klappernden Zähnen. »Aber ich kann nicht hierbleiben. Raj Ahten wird eine Überprüfung der Bücher verlangen…«
Für einen neuen König war es selbstverständlich, daß er eine Überprüfung seines Volkes vornahm, um festzustellen, wer dem Königreich Geld schuldete. Natürlich würden Raj Ahtens Annektoren anwesend sein und nach möglichen Übereignern Ausschau halten. Es war anzunehmen, daß Raj Ahtens Männer Rowan folterten, wenn sie erfuhren, daß Rowan eine Übereignerin der toten Königin gewesen war.
»Vielleicht«, antwortete Gaborn. »Darüber können wir uns später Sorgen machen. Zunächst müssen wir uns verstecken.
Also erzähl mir, wo es einen Ort gibt, wo ein starker Geruch herrscht.«
»Die Gewürzkeller«, erklärte Rowan leise. »Oben bei den Stallungen des Königs.«
»Ein Keller?« hakte Gaborn nach, der spürte, daß dies genau der richtige Ort war. Dorthin
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