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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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„Province Street Ecke Bosworth.“
    Mit kurzem, knappem Zügelschlag lenkte der Fahrer sein Gefährt mit einer schwungvollen Wendung auf den breiten granitgepflasterten Boulevard und fuhr zurück in Richtung Arlington Street.
    Nell wartete, bis Edwin Speck im Haus verschwunden war, bevor sie dann selbst zur Straßenecke hinunterlief und sich eine Mietkutsche herbeiwinkte.
    â€žZum Orlando Poole’s“, sagte sie, als der Fahrer ihr in den schäbigen braunen Landauer half. „Province Street Ecke …“
    â€žIch weiß, wo das ist“, knurrte der Kutscher in whiskey-umnebeltem irischen Tonfall. „Patrick Nulty kutschiert dieses Ding hier schon lange genug umher, als dass er sich noch sagen lassen müsste, wie er wo hinkommt, besten Dank auch.“ Er schaute Nell einen Augenblick an und rieb sich die grauen Bartstoppeln an seinem Kinn. „Ich muss allerdings sagen, dass Sie eigentlich gar nicht so aussehen.“
    Noch bevor sie etwas erwidern konnte, schüttelte er auch schon in stiller Verwunderung den Kopf, stieg auf den Kutschbock und schlug kurz mit den Zügeln.
    Der Landauer holperte über Kopfsteinpflaster und blieb dann in einer schmalen Gasse stehen. Es war schaurig dunkel hier, von einer einzigen Laterne abgesehen – einer flackernden Ölfunzel wohlgemerkt, keiner Gaslaterne –, die von einem Torbogen über den steinernen Stufen hing, die von der Province zur Bosworth Street führten. Zu beiden Seiten der Gasse lauerten finstere, dunkle Backsteinbauten, die Läden im Erdgeschoss allesamt verrammelt und verriegelt, nur in den oberen Stockwerken war vereinzelt ein Fenster schwach beleuchtet. Nell fühlte sich an die Illustrationen in einem von Dr. Greaves’ Büchern über das mittelalterliche London erinnert.
    â€žMmh … wo genau ist denn das Orlando Poole’s ?“, fragte sie Patrick Nulty, als er ihr aus dem Wagen half.
    â€žDa.“ Er wies mit dem Kopf zu ein paar Steinstufen, die zu einer Tür führten, die etwas unterhalb der Straße lag. „War’n wohl vorher noch nie in Poole’s Hölle gewesen, was?“
    â€žIch … nein, aber ich …“
    â€žSie wissen aber, was das für’n Laden ist, oder?“
    â€žEine Spielhölle“, erwiderte sie mit mühsam erzwungener Gelassenheit. Sie zog ihre kleine Geldbörse aus ihrem Handbeutel hervor und fragte: „Wie viel bekommen Sie?“
    â€žFünf Cent. Woll’n Sie da wirklich rein? Fangen Sie bloß nicht an, da drin zu beten und zu missionieren.“ Da Nell den Verdacht hatte, dass Nulty ihr zu wenig berechnet hatte – vielleicht, weil er sie mochte, weil sie ihm leidtat oder weil sie wie er aus Irland kam, denn die aus der alten Heimat merkten es immer sofort –, gab sie ihm einen Dime und sagte: „Behalten Sie den Rest.“
    Er betrachtete die Münze so aufmerksam, als ob er zum ersten Mal die Freiheitsstatue darauf entdeckt hätte. „Wissen Sie was? Donnerstags gibt’s nie viel zu tun, und ich könnte eine kleine Pause gut vertragen. Warum warte ich nicht einfach hier draußen, damit ich Sie wieder zurückfahren kann, wenn Sie da drinnen fertig sind?“
    â€žIch wohne ganz in der Nähe“, meinte sie. „Nur drei Straßen weiter, Tremont Street Ecke West. Ich kann zurücklaufen.“
    Ihm war die Überraschung darüber anzusehen, dass sie aus der Colonnade Row kam, doch als er zurück auf seinen Kutschbock kletterte, meinte er nur: „Eine Dame soll nachts nicht allein durch die Straßen laufen. Ich warte hier. Und wenn Sie da drin Hilfe brauchen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.“
    Nell dankte ihm, stieg dann die paar Stufen hinunter und klopfte an die Tür, die weder eine Hausnummer hatte noch irgendein anderes Erkennungszeichen sehen ließ. Sie wollte gerade ein zweites Mal klopfen, als die Tür von einem bulligen, einfach gekleideten Farbigen aufgerissen wurde, der erst zur Kutsche sah, dann Nell anschaute und schließlich ein weiteres Mal die Kutsche musterte. „Ja?“, fragte er wenig einladend.
    â€žIch … mmh, ich suche das Orlando Poole’s .“ Nell spähte an dem Mann vorbei in einen schwach beleuchteten, gänzlich unmöblierten Gang.
    â€žTut mir leid, Miss“, sagte er und wollte die Tür wieder schließen. „Falsche Adresse.“
    â€žHalt, warten Sie“, bat sie ihn,

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