Dunkel wie der Tod
dürfen â mit ihrem kleinen rosa Schirm ihre neu erlernten Walzerschwünge unter dem Schutz einer riesigen Eiche.
Im Laufe von Nells Erzählung war Will noch blasser als zuvor geworden, alle Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen, bis es nun im silbrigen Licht unter dem Schirm wie knochenbleich schimmerte. Schweigend und mit ernster Miene hatte er ihr zugehört und sie nur manchmal unterbrochen, damit sie irgendetwas ausführlicher darlege â meist eines der eher unschönen Details, die sie lieber übergangen hätte.
âNein, niemand weià davonâ, bestätigte Nell. âWem hätte ich es auch sagen sollen?â Trotz ihrer Drohungen Harry gegenüber war das nie in Betracht gekommen.
âDer Polizei vielleicht?â, meinte er. âNicht dass ich meinen Bruder unbedingt im Gefängnis sehen wollte â ich glaube zudem, dass es der Absinth war, der ihn an jenem Abend dazu getrieben hat, sich so zu verhalten â, aber an Ihrer Stelle hätte ich ihn angezeigt.â
Nell konnte nicht anders â sie musste lachen. âIhr Vater hätte schon dafür gesorgt, dass ich damit nicht weit gekommen wäre, Will! Das wissen Sie ganz genau. Vergessen Sie nicht, dass es passiert ist, bevor er zu dem Schluss kam, Harry nicht länger alles nachzusehen. Leo Thorpe hätte dem Polizeipräsidenten einen hübschen dicken Umschlag zukommen lassen, und damit wäre die Sache erledigt gewesen.â
âUnd was ist mit dem Konstabler von der Wache in Williams Court, mit dem Sie sich so gut verstanden haben? Bulliger Ire, wuchtiger Schädel â¦â
âColin Cook? Er ist nicht mehr in Williams Court. Kurz nachdem wir von Falconwood zurückkamen, traf ich ihn zufällig in der Stadtbibliothek â er ist zur Kriminalbehörde in der City Hall befördert worden. Wie er meint, habe Polizeipräsident Kurtz ihm diese Ehre nur zuteilwerden lassen, um sich bei den Iren einzuschmeicheln.â Sie legte sich beide Hände an den Mund und rief: âBleib da, wo ich dich sehen kann, Gracie!â
âSie hätten dennoch zu ihm gehen könnenâ, befand Will. âVielleicht hätte er â¦â
âStadtrat Thorpe davon abhalten können, die Wahrheit unter einem Haufen Dollarnoten zu begraben? Mal angenommen, es wäre ihm gelungen â was dann?â
âNun ja, Harry wäre dann endlich einmal zur Verantwortung gezogen worden.â
âUnd Ihre Mutter hätte der Tatsache entgegensehen müssen, dass einer ihrer Söhne â einer der beiden, die ihr noch geblieben sind, wohlgemerkt â zu solch einer Barbarei fähig ist.â
âAch jaâ, seufzte Will, âstets um das Wohl von Lady Viola besorgt.â
âWeil sie vor vier Jahren um mein Wohl besorgt warâ, stellte Nell nachdrücklich klar. âSie hat mich aus meinem recht bescheidenen Dasein auf Cape Cod herausgeholt und mir das Leben geschenkt, das ich nun hier führe. Es wäre noch eine Untertreibung, wenn ich sagte, dass ich in ihrer Schuld stehe und ihr zutiefst dankbar bin.â
Er sah beiseite, seine Haltung angespannt.
In etwas versöhnlicherem Ton fuhr sie fort: âWill, ich verstehe den Groll, den Sie für Ihre Mutter empfinden, weil Sie als Kind nach England geschickt wurden und dort von Ihrer Familie getrennt aufwuchsen â wenngleich ich mir wünschen würde, dass Sie ihr vergeben könnten. Aber was mich angeht ⦠zu mir war Ihre Mutter stets gut, liebenswürdig und groÃzügig. Und sie hat schon so viel durchmachen müssen. Es könnte sie umbringen, die Wahrheit über Harry zu erfahren.â
Will lachte kurz und bitter. âSo leicht ist meine Mutter nicht unterzukriegen.â
âIch habe dabei auch nicht nur an sie gedachtâ, gestand Nell, âsondern auch an mich selbst. Hätte ich Harry angezeigt, würde ich gewiss meine Stelle verloren haben.â
âUnd Gracie.â
Nell nickte und blickte zu Boden. Dass Will Vater des Kindes war, das sie mittlerweile schon als das ihre betrachtete, schien sie enger aneinanderzubinden â eine merkwürdige Beziehung, für die es keinen Namen gab.
Und keine Regeln.
âNachdem Sie Harry an den Stuhl gefesselt hatten, sind Sie also einfach so davongegangenâ, meinte Will, âund haben diesen höchst unerfreulichen Zwischenfall seitdem aus Ihren Gedanken verbannt?â
Eine plötzliche
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