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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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grünlich-graue Verfärbungen –, und ihr wurde bewusst, dass die bei der Verwesung sich bildenden Gase den Körper derart aufgedunsen hatten.
    Ein Käfer kam unter Bridies Röcken hervorgekrochen, krabbelte über ihren Schenkel und blieb dort sitzen, um eines der weißen Körnchen zu fressen, von denen ihre Beine nur so übersät waren – Gräserpollen, dachte Nell, bis sie dann sah, wie sie sich bewegten.
    Heftiger Ekel überkam sie, und ihr wurde so übel … Erst als Will sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei, merkte sie, dass sie wohl recht hörbar gewürgt haben musste.
    â€žJa“, sagte sie. „Ich … mir geht es gut.“
    â€žGewiss ist das nicht Ihre erste Leiche.“ Er hob Bridies rechten Arm, der sich mühelos an der Ellenbeuge abwinkeln ließ, bevor er ihn wieder sinken ließ; die Hand blieb indes zur Faust geballt.
    â€žOh nein, keineswegs.“ Die ersten Toten, an die Nell sich erinnern konnte, waren ihre zwei Schwestern und die drei Brüder, die sie in den ersten zehn Jahren ihres Lebens an verschiedene Krankheiten verloren hatte. Dann kam ihre Mutter, dahingerafft von der Cholera, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, und schließlich war auch noch die letzte ihr verbliebene Schwester gestorben – die kleine Tess mit dem bezaubernden Lächeln –, als die Diphterie im Armenhaus von Barnstable gewütet hatte. In den beiden Jahren, da man sie als Cornelia Cutpurse kannte, hatte sie den Tod dann auf andere, blutigere Weise zu Gesicht bekommen … Messerstechereien, Prügeleien … Und nicht zuletzt hatte sie ja vier Jahre lang Dr. Greaves assistiert, der wie alle Ärzte, und seien sie noch so gut, hin und wieder einen seiner Patienten verloren hatte.
    â€žEigentlich habe ich mein Leben lang Leute sterben sehen“, meinte sie denn auch zu Will. „Aber noch nie habe ich jemanden … in diesem Zustand …“
    â€žIch wünschte, ich könnte dasselbe von mir sagen.“ Er begann Bridies Haar beiseite zu streifen, damit sie ihr Gesicht sehen konnten, und so behutsam war seine Berührung, als würde sie noch leben. „Während des Bürgerkriegs ließ man die Gefallenen oft einfach dort liegen, wo sie zusammengebrochen waren. Wenn ich Stunden, manchmal auch Tage oder gar Wochen später an einem solchen Schlachtfeld vorbeikam, fand ich es immer noch übersät von Leichen vor. Wenn Zeit war, blieb ich eine Weile und machte mir Notizen – wie lange sie schon tot waren, welchem Wetter sie post mortem ausgesetzt gewesen waren, Körpertemperatur, Verwesungsgrad, ob die Totenstarre noch anhielt oder Leichenflecken zu erkennen waren, welche Insekten sich beobachten ließen …“
    â€žUm Himmels willen – wozu das alles?“
    â€žWeil es immer wieder Todesfälle gibt, bei denen es nicht mit rechten Dingen zuging – so wie hier, vermute ich mal –, und dann kann es sehr hilfreich sein zu wissen, wann genau der Tod eingetreten ist, um den Täter besser eingrenzen und verfolgen zu können. Solche rechtskundlichen Anwendungen der Medizin waren ein Fachgebiet des Professors, den ich während meines Studiums in Edinburgh am meisten geschätzt habe. Als ich dann all diese Toten um mich her sah, deren Todeszeitpunkt mir auf wenige Stunden genau bekannt war, sah ich darin eine gute Gelegenheit, ein wenig Feldforschung zu betreiben. Ursprünglich war meine Absicht, meinem Professor nach dem Krieg diese Aufzeichnungen zu schicken, doch als die Konföderierten mich gefangen nahmen, konfiszierten sie natürlich auch mein Notizbuch.“
    Nun strich er vorsichtig die letzten Haarsträhnen von Bridies Gesicht – oder vielmehr von dem, was davon noch übrig war.
    â€žOh Gott.“ Nell schloss die Augen, doch der Anblick wollte ihr nicht mehr aus dem Sinn – das aufgedunsene, verfärbte Gesicht, der weit offene Mund und die trüben Augen, vor allem aber die Maden … ganze Heerscharen sich langsam windender Maden, die in jeder Körperöffnung nisteten und daraus hervorquollen.
    Will schaute Nell an und berührte ihre Hand. „Warum gehen Sie nicht schon einmal zurück ins Haus?“, meinte er sanft.
    â€žNein.“ Sie zwang sich, die Augen wieder zu öffnen und hinzusehen, auch wenn sich ihr dabei der Magen umdrehte. „Es geht schon.“
    â€žSind Sie sicher?“ Vorsichtig rückte er Bridies

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