Dunkel wie der Tod
Hewitt ⦠warten Sie â als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, steckten Sie blutbesudelt und recht ramponiert in einer Arrestzelle.â
âIch hatte seitdem Gelegenheit, mir etwas anderes anzuziehen.â
âSteht Ihnen.â
âTeufel noch mal, Will!â Harry deutete mit seiner Zigarre auf Nell. âWarum hast du sie mitgebracht, diese verdammte â¦â
âSie halten sich in Gegenwart einer Dame zurückâ, warnte ihn Cook, âsonst verpasse ich Ihnen gleich ein weiteres blaues Auge. Und es ist mir völlig egal, wie Sie heiÃenâ, fügte er grimmig hinzu.
Nell hätte von Will erwartet, dass er Cook fragte, ob seine Leute für Harrys Blessuren verantwortlich seien. Doch er fragte nicht und warf wortlos die beiden Geldbündel auf den Schreibtisch.
Harry schob sie den Konstablern aus Salem hin, ohne das Geld auch nur eines Blickes zu würdigen. Dann machte er Anstalten aufzustehen und meinte: âIch nehme mal an, dass ich jetzt gehen kann.â
Die beiden sagten, dass sie fürs Erste mit ihm fertig seien, bedankten sich bei Detective Cook für die Unterstützung der Bostoner Polizei und verabschiedeten sich. Harry drückte seine Zigarre aus und stand auf. Doch als er sich seinen Homburg und den obligatorischen Seidenschal vom Garderobenständer in der Ecke nehmen wollte, bemerkte Will ruhig: âBevor du gehst, würde ich ganz gern noch ein Wörtchen mit dir reden.â
âHör zuâ, Harry senkte die Stimme zu einem Flüstern herab, âich zahle es dir zurück, sobald das Glück mir wieder mal â¦â
âEs geht gar nicht um das Geld.â Will sah Nell und Cook fragend an und meinte: âWürde es Ihnen etwas ausmachen â¦?â
âÃberhaupt nicht â kommen Sie.â Cook führte Nell aus seinem Büro und schloss die Tür hinter sich. Deren obere Hälfte war genau wie die Tür von Harrys Büro in der Tuchfabrik verglast, sodass Nell die beiden Hewitt-Brüder zwar nicht hören, sie wohl aber sehen konnte. Harry lieà sich wieder auf seinen Stuhl fallen und goss sich mit leidender Jetzt-geht-das-schon-wieder-los-Miene noch einen Whiskey ein. Er bot auch Will einen an, doch der schüttelte den Kopf. Will sagte etwas, sein Bruder verzog das Gesicht.
âDas ist ein ganz Schlimmerâ, sinnierte Cook mit düsterem Blick auf Harry.
âWas ist mit seinem Gesicht passiert?â, fragte Nell.
âIch weià schon, was Sie denken, aber ich versichere Ihnen, dass er schon so aussah, als er hier ankam. Selbst diese Hinterwäldler aus Salem sind nicht so blöd, einen Hewitt zu verprügeln. Uns hat er erzählt, dass er nach übermäÃigem Absinthgenuss einen kleinen Unfall hatte.â
âAh ja.â
âDas war ja ganz schön viel Geld, was da gerade über den Tisch gegangen istâ, bemerkte Cook. âWer hätte gedacht, dass eine gute Kirchgängerin wie Sie sich auf solche Spielchen einlassen würde?â
âIch nehme es eher widerwillig zur Kenntnis, als dass ich mich darauf einlieÃe.â
Will hatte sich jetzt über seinen Bruder gebeugt, beide Arme auf den Schreibtisch gestützt, und redete eindringlich auf Harry ein, der mit leerem Blick vor sich hin starrte und seinen Whiskey noch nicht angerührt hatte.
âDann sitzen wir beide im selben Bootâ, sagte Cook. âEigentlich sollte ich diesen beiden SpaÃvögeln aus Salem ja zeigen, was Sache ist, weil sie noch nie zuvor einen Mordfall aufklären mussten â aber die wollten meinen Rat überhaupt nicht, sondern nur ein schönes Büro, wo sie dann solche Geschäfte machen können, wie wir beide sie gerade mit ansehen durften.â
âAlso, ich bitte Sie, Detectiveâ, sagte Nell, âtun Sie doch nicht so, als wären Sie gegen derlei Versuchungen immun. Sie können sich gewiss noch daran erinnern, dass ich da von Ihnen mal etwas ganz anderes gehört habe.â
Cook sah sie achselzuckend an und trank seinen Tee aus. âWas würden Sie denn tun, Miss Sweeney, wenn Sie einen so mickrigen Lohn bekämen, Ihnen dafür aber von allen Seiten Geld zugesteckt würde, und Sie zu Hause eine so wunderbare Frau hätten wie ich, die was Besseres verdient hat, als in Fort Hill zu leben und jeden Tag nur Kartoffeln und Brei aus getrockneten Erbsen zu essen? Natürlich landen hin und wieder auch mal ein paar
Weitere Kostenlose Bücher