Dunkel wie der Tod
zweimal in einer einzigen Woche verprügelt worden bin.â
Mühsam stemmte er sich aus seinem Sessel, verzog dabei das Gesicht wie ein vom Rheumatismus geplagter alter Mann, schnappte sich seinen Spazierstock und schlurfte leicht vornübergebeugt davon.
Nell nahm einen Schluck von ihrem Sherry und spürte, wie die Anspannung langsam nachlieÃ. Nach einem weiteren Schluck lieà sie sich in ihren Sessel sinken und seufzte leise. âJemand verfolgt michâ, sagte sie.
Will runzelte die Stirn. âNoch jemand?â
âMuss wohl â Virgil Hines kann es nun ja kaum sein.â
âSind Sie sich denn sicher?â, fragte Adam. âWas Sie in letzter Zeit erlebt haben, war ja â¦â
âNein, ich bilde es mir nicht ein. Seit Tagen schon habe ich wieder dieses Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Und dann am Sonntag, als wir aus Salem zurückgekommen waren und gerade die Dämmerung einsetzte, bin ich noch ein wenig allein im Park spazieren gegangen â weil das Wetter so schön war, und nach den Stunden im Leichenschauhaus ⦠Ich wollte einfach drauÃen sein, in Ruhe nachdenken, meine Gedanken sortieren. Während ich dort spazieren ging, sah ich ihn. Immer wenn ich mich umdrehte, war er auch da â ungefähr hundert Meter hinter mir.â
âSie haben ihn nicht erkannt?â, fragte Adam.
âNein, er war zu weit weg, und es wurde auch langsam schon dunkel. Manchmal wandte er mir rasch den Rücken zu, wenn ich mich umschaute, dann wieder huschte er hinter einen Baum am Wegesrand, um sich zu verstecken. Ich habe eine Abkürzung genommen und bin zurück nach Hause gegangen. Seitdem versuche ich mir einzureden, dass ich es nicht weiter ernst nehmen sollte â in einer groÃen Stadt treiben sich eben auch allerhand seltsame Männer herum. Doch heute, als ich mit Lady Viola und Gracie einkaufen war, habe ich ihn wieder gesehen. Zumindest meinte ich das. Ein paarmal sah ich zumindest irgendjemand hastig in einem Hauseingang oder hinter einem Mauervorsprung verschwinden, und mir war stets, als ob er das gewesen sein könnte.â
Sie nahm noch einen Schluck. âIch musste mit jemandem darüber reden, aber hätte ich Ihrer Mutter davon erzählt, würde sie sich nur unnötig um mich sorgen. Eigentlich wäre ich auch schon viel früher hierhergekommen, aber ich musste warten, bis Gracie im Bett war. Oje, ich bin völlig durcheinander. Vielleicht sollte ich Dr. Drummond doch um ein Beruhigungsmittel bitten.â
âSie brauchen kein Beruhigungsmittelâ, stellte Will klar, âsondern die Polizei.â
âDa kann ich Will nur zustimmenâ, meinte Adam. âIrgendjemand verfolgt sie. Vielleicht ist er gefährlich. Bis das geklärt ist, sollten Sie die Polizei um Schutz bitten.â
âWenn Sie Ihren Sherry ausgetrunken haben, begleite ich Sie zur City Hallâ, sagte Will. âIch bin mir sicher, dass Detective Cook die Sache ernst nehmen wird. Vielleicht kann er jemanden zu Ihrem persönlichen Schutz abbeordern.â
âDienstags hat er freiâ, sagte Nell.
âDann eben morgen. Wann hätten Sie Zeit?â
âNicht vor neun oder halb zehn am Abend. Ich muss Gracie ins Bett bringen und warten, bis sie eingeschlafen ist.â
âDann morgen Abend. Ich nehme mir eine Mietkutsche und treffe Sie um halb zehn an der Tremont Street Ecke Winter. Bis dahin sollten Sie das Haus möglichst nicht verlassen.â
âEs soll morgen ohnehin regnenâ, meinte sie. âIch werde mir etwas einfallen lassen, um Gracie drinnen zu beschäftigen.â
âMacht die Polizei denn so etwas überhaupt?â, fragte Adam zweifelnd.
âMeiner Erfahrung nach ist die Bostoner Polizei zu nahezu allem bereit, solange sie dabei nur auf ihre Kosten kommt.â
Als sie aufstanden, bemerkte Adam zu Will: âWir sind jetzt gar nicht dazu gekommen, Duncans vorzeitige Entlassung zu erörtern.â
Und so verabredeten sie sich für den kommenden Donnerstag zum Abendessen im Durgin-Parkâs, und Will versprach, seine Spielkarten mitzubringen, damit er Adam in die Geheimnisse des Pokerspiels unterweisen könne.
âNatürlich beabsichtige ich nicht, wirklich einmal zu spielen â keineswegsâ, versicherte Adam ihm. âBei allem Respekt, aber das Glücksspiel zersetzt einen seelisch als auch moralisch, weshalb man ihm widerstehen
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