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Dunkel

Dunkel

Titel: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Blutgerinnsel oder eine schwächere Hirndurchblutung. Der Chirurg fuhr damit fort, weitere Schäden aufzulisten, wie beispielsweise chemische Mängel, die die normale Funktionsweise des Hirns hätten beeinträchtigen können, und er versicherte den Anwesenden, daß davon nichts feststellbar gewesen sei. Andere Tests waren durchgeführt worden, mehr aus Verzweiflung, denn aus Hoffnung, und auch diese hatten sich als negativ erwiesen. Es hatte keinen Enzymmangel in den Stoffwechselsystemen der Opfer gegeben, und auch keine Ansammlung von Aminosäuren.
    Es war auch kein plötzliches Ungleichgewicht der Chromosomen in den Körperzellen festgestellt worden. Eine gründliche Untersuchung des zentralen Hirnbereiches hatte man vorgenommen, vor allem der Regionen, die um die mit Flüssigkeit gefüllten Hirnhöhlungen, die Ventrikel, gelagert waren. Einer dieser Bereiche, der Hypothalamus, steuerte Hunger, Durst, Temperatur, Sexualtrieb und Aggression, und eine nähere Untersuchung der angrenzende Gebilde, die das limbische System bildeten — also Septum, Fornix, Amygdala und Hippo-camus —, von dem man glaubte, daß es emotionale Reaktionen wie Angst und Aggression steuerte, hatte nichts Ungewöhnliches ergeben. Letzten Endes: Das Gehirn war noch immer ein großes Rätsel.
    Das Publikum, von dem ein Großteil durch die medizinischen Ausdrücke des bedeutenden Arztes irritiert worden war, rutschte unruhig auf seinen Plätzen hin und her. Der Innenminister, der in der verfügbaren Zeit so viele Meinungen wie möglich hören wollte, bat um die Ansicht eines Psychiaters, der neben dem Neurochirurgen saß, und die beiden Hauptpsychosen emotional Gestörter wurden rasch und klar von einer Stimme erklärt, die laut, aber doch irgendwie beruhigend war. Bei der manisch-depressiven Psychose wechselte die Stimmung des Patienten von tiefer Depression zur Manie, die möglicherweise die trancegleiche Ruhe der Opfer während des Tages und den unkontrollierbaren Drang, nachts zerstörerische Taten zu begehen, erklären konnte. Doch eine Behandlung der Patienten mit Drogen wie Lithium hatte auf diese Personen nicht gewirkt. Die andere Hauptpsychose war Schizophrenie, die häufig bei Menschen mit entsprechender vererbter Veranlagung auftrat. Die Symptome waren irrationales Denken, gestörte Emotionen, und ein Zusammenbruch der Kommunikation mit anderen, was alles auf die jüngeren Opfer zutraf. Phenothiasine, die auch als Tranquilizer benutzt wurden, und andere Drogen wie Fluphenauzin, waren erfolglos bei den Opfern angewendet worden. Schockbehandlungen hatte man noch nicht versucht, doch der Psychiater hatte seine Zweifel an der Effektivität dieser Methode gleich zum Ausdruck gebracht. Eine Alternative, die zweifellos Erfolg haben würde, wäre eine Lobotomie bei jeder Person, aber ihm war natürlich klar, daß dies bei so vielen Opfern undurchführbar sein würde. Schließlich blickte er auf den Innenminister und dessen eilig zusammengestellten »Ausnahme«-Beraterstab, der auf der einen Seite eines langen, polierten Tisches auf dem kleinen Podium saß und schwieg, bis der Minister begriff, daß der Psychiater nichts mehr zu sagen hatte.
    In diesem Moment erhob sich ein Mitglied einer Organisation, die sich als »Rettende Bruderschaft Spiritueller Grenzen« bezeichnete und informierte die Anwesenden darüber, daß das in London wahrnehmbare Phänomen nichts anderes als eine große Ansammlung entseelter Wesen sei, die nicht wußten, daß sie tot waren und in ihrer Verwirrung von anderen Besitz ergriffen. Die Gewalttaten, die die Besessenen begingen, erfolgten deswegen, weil die verlorenen Geister Angst hatten. Er bat darum, daß man Medien erlauben sollte, die gequälten Seelen wegzuführen, damit sie ihre irdischen Fesseln hinter sich lassen konnten. An diesem Punkt war Bishop zu der Erkenntnis gekommen, daß er einen Drink brauchte.
    Er hatte sich so unauffällig wie möglich von der Konferenz entfernt und sich seinen Weg durch das Gedränge der Journalisten gebahnt, die hinten im Auditorium saßen. Die Hotelbar war leer, und der einsame Barkeeper schien erleichtert, etwas Gesellschaft zu haben. Bishop war jedoch nicht in Stimmung für eine Unterhaltung. Er kippte den ersten Scotch schnell und genoß den zweiten langsam.
    Die Zusammenkunft fand in einem Hotel im Birmingham Konferenzzentrum statt, einem riesigen Komplex von Ausstellungshallen und Konferenzräumen. Der Komplex selbst befand sich einige Kilometer von der Stadt entfernt, so

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