Dunkelerde: Gesamtausgabe
größer, dass wir noch auf lohnendere Beute stoßen als auf diesen Segler.”
„Eine so armselige Beute habe ich selten erlebt”, meinte Solamisch.
Ein paar Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Vorräte hatten die Darscha-Dosch an Bord der SEEWOLF gebracht. Eine Beute, die den Aufwand kaum gelohnt hatte.
Wenn diese Pechsträhne weiter anhält, werden die Männer unruhig werden, dachte Koschna-Perdoschna Wolfsauge.
Von früheren Fahrten wusste er nur zu gut, dass es in so einem Fall kritisch werden konnte.
Koschna drehte sich zu Barasch-Dorm herum, der gedankenverloren der Rauchsäule des brennenden valuremischen Seglers nachsah.
„Was ist das wirklich für ein Schatz, von dem du gesprochen hast?”, fragte der Kapitän.
Barasch-Dorm lächelte mild.
„Ich sehe, du hast Blut geleckt, Darscha-Dosch. Genauso wie ich es mir gedacht habe. Der Gedanke daran, mit wenig Mühe einen sagenhaften Reichtum ernten zu können, lässt dich nicht los.”
Ein spöttischer Zug erschien in Koschnas Gesicht.
„Mehr als hohle Worte scheint mir bisher nicht hinter deinem Gerede zu stecken, Barasch-Dorm. Oder willst du etwa behaupten, dass du mit dieser valuremischen Nussschale wirklich und wahrhaftig Richtung Kreitska unterwegs warst?”
Barasch-Dorm hob die Schultern.
„Es war mir leider nicht möglich, in Schi-Scho-Lah ein besseres Schiff zu bekommen”, erklärte er.
„So, von Schi-Scho-Lah aus bist du aufgebrochen?”, echote Koschna.
Er wusste sehr wohl: Die Ruinenstadt stellte heute nur einen Abklatsch einstiger Größe dar. War sie einst die zweite Hauptstadt des Reiches der Seekönige gewesen, so wurde sie jetzt von dem sagenumwobenen Bettlerkönig beherrscht und bot dem Gesindel der gesamten Hemisphäre Unterschlupf. Piraten und Ausgestoßene trafen sich dort.
Barasch-Dorm trat einen Schritt auf Koschna zu.
Er hatte jetzt einen geradezu beschwörenden Gesichtsausdruck. Die kühle, abgeklärte Distanziertheit, die sonst sein Mienenspiel kennzeichnete - wenn es sich nicht gerade um Jule und Pet handelte -, war von einem Augenblick zum anderen von ihm abgefallen.
„Ich brauche ein neues Schiff”, stieß er hervor. „Und ganz gleich, wer der Kapitän dieses Schiffes sein wird, er wird als reicher Mann von dieser Reise zurückkehren.”
„Du verkennst deine Lage, Barasch-Dorm”, lachte Koschna. „Du bist ein Gefangener und den Kurs bestimme ich ganz allein.”
„Du magst ein Barbar aus dem Norden sein, aber du bist nicht dumm”, stellte Barasch-Dorm fest. „Einst erstreckte sich zu beiden Seiten des großen Stromes Üruschil das Zentrum von Dunkelerde, das Reich der Alt-Alchimisten, der Schöpfer dieser Welt. Sie nannten es Parasch-Tschu-Dra. Seine erhabenen Tempel, die Häuser seiner Städte sind größtenteils zu Staub zerfallen, aber ein Teil davon liegt noch unversehrt unter dem Wüstensand. Immer wieder stoßen baschidische Karawanen auf vor Jahrtausenden verlassene Geisterstädte.”
„Geisterstädte?”
„Der Üruschil hat oft sein Bett verändert und so lagen sie ehedem wohl in der Uferzone. In einer dieser Ruinenstädte stieß ich auf einen Schatz von schier unvorstellbarer Größe. Gold, Silber, mehr davon, als man auf dein Schiff laden könnte.”
„Warum hast du diesen Schatz nicht selbst geborgen, wenn du schon einmal da warst?”, fragte Koschna.
Barasch-Dorm hob die Augenbrauen.
„Ich war mit einer kleinen Gruppe baschidischer Begleiter dort”, behauptete er. „Karawanenführer, die ich angeheuert hatte. Durch das Studium uralter Karten war mir die Lage dieser Ruinenstadt bekannt. Ich ließ die Baschiden soviel von dem Zeug aufladen, wie die wenigen Kamele, die wir bei uns hatten, zu tragen vermochten. Allerdings wurden wir unterwegs von Räubern überfallen. Nur wenige Stücke vermochte ich zu retten.”
Er griff in die Taschen seines weiten Mantels, holte ein Amulett hervor. Zweifellos war es aus Gold. Fremdartige Schriftzeichen, die Koschna-Perdoschna Wolfsauge nie zuvor gesehen hatte und der er auch kein bekanntes Alphabet zuzuordnen vermochte, waren in das Edelmetall eingraviert worden.
Barasch-Dorm gab Koschna das Amulett.
„Behalte es, Kapitän.”
Koschna hielt das Amulett ins Licht, fuhr dann mit der Fingerkuppe darüber. Immerhin gab es jetzt so etwas wie einen greifbaren Beweis für die Geschichte Barasch-Dorms. Aber noch immer hatte Koschna-Perdoschna Zweifel. Er traute diesem Mann einfach nicht. Das lag nicht nur an dem, was er in jenem Lagerraum erlebt
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