Dunkelerde: Gesamtausgabe
relativ unabhängig von seinem Oberherrn, dem Sultan von Tschubat, auch wenn Letzterer zweifellos immer noch offiziell die Oberhoheit besaß. Das erklärte der Magier der kleinen Gruppe.
Koschna, Barasch-Dorm und ihre Begleiter erreichten schließlich das von einer hohen Mauer umgebene Haus des Schtusska-Al-Noschass. Es wirkte wie ein Palast mitten in der Stadt. Wächter standen am Tor - und hielten sie zunächst mit barschem Tonfall und drohenden Waffen auf. Vor allem Jule und Pet interessierten sie, bis Koschna behauptete, es handele sich lediglich um seine Kinder, die er zum ersten Mal auf einer seiner Reisen mitnahm. Das ließ ihn für sie offenbar ein wenig weniger barbarisch erscheinen und auch ihr Interesse an den beiden erlöschen, die ihnen scheinbar besonders exotisch vor kamen. Allerdings machte es dies der Gruppe keineswegs leichter, zu dem gelassen zu werden, zu dem sie wollten. Da konnte der Magier noch so oft erklären, dringend erwartet zu werden...
Nach zähen und langen Verhandlungen erst, in denen erstmals der Magier sein Redegeschick bewies - ohne dabei auf Magie zurückzugreifen, wie bereits angekündigt -, wurden sie vom Kommandanten unter starkem Vorbehalt eingelassen und durch eine Art atriumartigen Garten geführt, in dem Palmen angenehmen Schatten spendeten und Springbrunnen plätscherten.
Schtusska-Al-Noschass empfing sie in einer Halle, deren Wände aus einem sehr glatten Stein waren, der wie Marmor wirkte.
Kunstvoll gearbeitete Wandteppiche waren dort angebracht. In baschidischen Signaturen waren Glaubenssätze des Hell-Dunkel in die Muster der Teppiche eingearbeitet. Aber für all das hatten Koschna und seine Begleiter keinen Sinn. Lediglich Jule und Pet betrachteten sich alles, während ihnen alles andere keineswegs entging.
Schtusska-Al-Noschass war ein hochgewachsener Mann mit dunklem Bart und tiefliegenden Augen. Sein ruhiger Blick musterte die Nordmänner eine Weile recht skeptisch, bis Koschna ein weiteres Mal behauptet hatte, bei Jule und Pet handele es sich um seine ältesten Kinder, die zum ersten Mal eine seiner Reisen mitmachen durften.
„Aha”, meinte ihr Gastgeber gedehnt, „dann ist das wohl ein sehr übles Gerücht, dass ihr Barbaren eure Erstgeborenen verspeist?” Seinem Gesicht war nicht anzusehen, ob er es wirklich ernst meinte.
„Sehr übles Gerücht, gewiss!”, bestätigte Pet aus dem Hintergrund, weil er es als eine gute Idee sah.
Ihr Gastgeber lächelte und entspannte sich sichtlich - also hatte Pet genau das Richtige getan. Dann wandte er sich Barasch-Dorm zu.
„Es tut mir leid, dass ihr am Tor aufgehalten wurdet, aber es sind unruhige Zeiten und meine Leute misstrauen jedem - sogar alten Freunden.” Er legte den Kopf schief. „Zumal in solcher Begleitung...”
Der Magier lächelte ein füchsisches Lächeln: „Ich weiß, ich habe mich gewissermaßen... verändert. Sie haben mich nicht sogleich erkannt. Es sei ihnen verziehen, von meiner Seite aus.”
„Es freut mich zu hören.”
„Ah, noch etwas: Meine Freunde hier möchten mit dabei sein bei unserer Unterhaltung, obwohl sie Barbaren sind, wie man sieht”, erklärte Barasch-Dorm, an seinen Gastgeber gerichtet. „Es wäre vielleicht ein Gebot der Höflichkeit, sich auf ihre Wünsche einzustellen, zumal ich ohne sie den Weg hierher nicht geschafft hätte.”
„Nichts dagegen”, erwiderte Schtusska-Al-Noschass. „Deine Freunde sollen auch meine Freunde sein, auch wenn es sich... um Barbaren handelt, denen ich ansonsten niemals trauen könnte. Aber immerhin haben sie ihre Kinder mit dabei, was eindeutig für sie spricht.” Er schöpfte tief Atem, während er Koschna und seine angeblichen Kinder nicht aus den Augen ließ. Flüchtig streifte sein Blick auch die beiden sehr archaisch auf ihn wirkenden Krieger, ehe er anhub: „Nun: Ich nehme an, du bist gekommen, um mit Hilfe meiner Kamele und meiner Männer jenen Schatz bergen zu können, von dem du so oft gesprochen hast, Meister Barasch-Dorm?”
„Das ist richtig.”
„Sind die fehlenden magischen Artefakte denn jetzt in deiner Hand? Diese geheimnisvolle letzte Schriftrolle zum Beispiel?”
„Es ist alles da, was benötigt wird.”
„Das bedeutet, dass man das Unternehmen starten könnte”, stellte Schtusska-Al-Noschass fest. In seinen Augen blitzte es in einer Art und Weise, die Koschna nicht gefiel. Es gefiel ihm sowieso so einiges nicht hier, obwohl er sich die ganze Zeit wohlweislich zurück hielt, um die gute Stimmung nicht
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