Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Vernehmungsraum, der noch genauso war wie damals, weckte Erinnerungen in ihr an die Tage unmittelbar nach Jims Selbstmord. Abgestandener Kaffee und Fastfood, vor allem aber der alles durchdringende Geruch nach Angst und Schweiß.
Sie setzte sich auf einen der Stühle an dem langen Tisch und versuchte, sich nicht von vergangenen Gefühlen mitreißen zu lassen.
Detective King nahm ihr gegenüber Platz, sein Blick so undurchdringlich wie damals. »Es tut mir leid, dass ich Sie bitten musste, hierherzukommen, aber wir brauchen ganz schnell ein paar Informationen.«
»Das verstehe ich, ich fürchte nur, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.« Die Hände lagen gefaltet in ihrem Schoß.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihre Aus sage mitschneide?«
»Nein, natürlich nicht.«
Er holte ein kleines Aufnahmegerät hervor und stellte es in die Mitte des Tisches. Dann drückte er auf den Startknopf, sprach Datum und Uhrzeit ein und stellte die erste Frage. »In der Ausstellung, die gestern Abend eröffnet wurde, werden Bilder Ihres verstorbenen Man nes gezeigt, wenn ich richtig informiert bin. Wie kam es dazu?«
»Nach Jims Tod wurde ich immer wieder von Galeristen angesprochen, die sich für sein Werk interessierten und seine letzten Bilder ausstellen und zum Verkauf anbieten wollten. Für mich kam aber nie jemand anders als Andre Gallagher in Frage, falls ich je bereit sein sollte, mich von Jims Bildern zu trennen.«
»Warum Gallagher?«
»Er war derjenige, der zuerst an Jims Talent geglaubt hat.« Vanessa wusste, dass sie absolut nichts zu befürchten hatte, trotzdem war ihr vor Nervosität ganz schlecht.
»Wann haben Sie gestern Abend die Galerie verlassen?«
»Um kurz vor zehn. Mein Sohn Johnny musste früh zur Schule, und ich wollte nicht, dass er zu lange aufbleibt.« Es gab so viele Fragen, die ihr im Kopf herumspukten. Was wusste die Polizei? Wurde schon jemand verdächtigt? »War es ein Raubüberfall?«, fragte sie.
Vanessa hätte nicht für möglich gehalten, dass Kings Blick noch undurchdringlicher werden konnte. Doch genau das geschah. »Das sind Ermittlungsdetails, über die ich mit Ihnen nicht sprechen kann. Sind Sie direkt nach Hause gefahren, nachdem Sie die Galerie verlassen hatten?« Sie nickte, und er fuhr fort. »Gab es irgendwelche Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und Andre Gallagher? Auseinandersetzungen darüber, wie die Bilder gehängt werden sollten, oder über die Höhe seines Anteils an den Verkaufserlösen?«
»Nein. Sie können doch nicht im Ernst annehmen, dass ich irgendetwas mit seinem Tod zu tun habe«, sagte sie eher ungläubig als entrüstet.
»Wir befragen jeden, der gestern Abend anwesend war«, erwiderte King. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, und die tiefen Furchen auf seiner Stirn verrieten, wie sehr er unter Druck stand. »Wissen Sie, ob Gallagher mit irgendjemandem Streit hatte?«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Mein Verhältnis zu Andre war in erster Linie geschäftlicher Natur. Wir waren nicht miteinander befreundet. Wenn er irgendwelche Probleme gehabt hätte, hätte er mir sicher nichts davon erzählt.«
»Die Verkaufsausstellung lief gut?«
Auf einmal stiegen Vanessa Tränen in die Augen. »Das Letzte, was Andre zu mir sagte, bevor ich ging, war, dass der Abend ein Riesenerfolg war.«
Tyler King zog die Augenbrauen zusammen und klopfte mit dem Bleistift, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf die Tischplatte, dann beugte er sich vor und schaltete das Aufnahmegerät aus. »Ich glaube, das ist im Moment alles. Tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen mussten.«
Sie nickte, einen dicken Kloß im Hals. »Andre war so ein netter Mensch. Bitte finden Sie den, der ihm das angetan hat.«
Sie erhoben sich, und King führte Vanessa zurück in die Eingangshalle. »Sie können hier auf Ihren Freund warten. Ich bin sicher, wir sind schnell mit der Befragung fertig.«
Vanessa setzte sich auf einen der grellgelben Plastikstühle und wartete auf Christian. Der Traum. Dieser verdammte Traum. Jedes Mal, wenn sie ihn geträumt hatte, war in ihrem nächsten Umfeld jemand gestorben. Diesmal betraf es sie nicht direkt, es war jedoch nicht weniger erschütternd.
Sie wusste, wie idiotisch es war, dennoch fühlte sie sich verantwortlich für Andres Tod, als hätte sie sein Todesurteil unterschrieben, indem sie diesen Traum geträumt hatte. Der Kloß in ihrem Hals wurde immer dicker, und sie schluckte angestrengt, um ihn
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