Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
hast.«
»Natürlich.« Er reichte ihr ein Glas mit Crushed-Ice und schüttete eine ganze Dose Cola darauf. Dann schenkte er sich selbst ein Glas Wein ein und setzte sich neben Vanessa.
»Du trinkst keinen Alkohol?«, fragte er.
»Nein.« Erzähl’s ihm, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Wenn du dich auf irgendeine Art von Beziehung mit ihm einlassen willst, hat er das Recht, deine Schwächen genauso zu kennen wie deine Stärken.
Sie trank einen Schluck Cola, ihre Kehle war auf einmal staubtrocken. Dann öffnete sie ihre Handtasche und holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Sie blickte Christian an.
»Unmittelbar nach Jims Tod dachte ich, dass ich einigermaßen damit klarkomme. Ich fing mit einem Drink am Abend an. Ein Gin Tonic, um das Ganze erträglicher zu machen, um ein bisschen entspannen zu können.«
Sie nippte erneut an der Cola, überrascht, dass es ihr so schwerfiel, über die dunkelsten Momente ihres Lebens zu sprechen. »Es dauerte nicht lange, dann wurden es zwei Drinks, und dann drei.« Sie starrte in ihr Glas. »Irgendwann habe ich auf das Tonic verzichtet und den Gin pur getrunken. Ich brachte Johnny morgens ganz normal zur Schule und machte auch meine Maklerlizenz, aber sobald ich nach Hause kam, griff ich zur Flasche.«
Sie sah ihn an. In seinem Gesicht spiegelte sich weder Verständnis noch Missbilligung. »Eines Morgens, es war ein Samstag, wachte ich auf dem Sofa auf, mit einer Flasche Gin im Arm. Johnny war schon unten und sah sich im Fernsehen einen Zeichentrickfilm an. Als er merkte, dass ich wach war, wollte er mir sofort zeigen, was er gezeichnet hatte.« Ihre Finger zitterten, als sie das Blatt Papier auseinanderfaltete und Christian reichte.
Sie brauchte es nicht anzusehen, um es sich in Erinnerung zu rufen. Das Bild hatte sich in ihre Seele eingebrannt. Ihr Sohn hatte gemalt, was er gesehen hatte: seine Mutter, schlafend auf dem Sofa, eine Flasche im Arm, mit wirrem Haar und offenem Mund. Das Bild einer Betrunkenen.
»Gefällt es dir, Mommy?«, hatte er eifrig gefragt.
Doch sie hatte es entsetzlich gefunden. In tausend Stücke hatte sie es reißen wollen, als hätte sie dadurch die Person zerstören können, zu der sie geworden war. Aber sie hatte es nicht getan. Stattdessen hatte sie das Bild aufbewahrt, als Erinnerung an ihren tiefen Fall.
Christian betrachtete die Zeichnung, faltete sie wieder zusammen und gab sie ihr zurück. Er sah sie voller Mitgefühl an, sagte aber nichts, sondern ließ ihr Zeit, die Geschichte auf ihre Weise zu Ende zu erzählen.
»Das war der Tag … nein, das war der Moment, in dem ich aufgehört habe zu trinken«, fuhr sie fort.
»Danach hatte ich nie mehr auch nur das geringste Bedürfnis, Alkohol zu trinken.«
Vanessa starrte Christian an und dachte, dass sie es vermasselt hatte, dass er nicht die Kraft haben würde, mit einer Frau zusammen zu sein, die einmal so tief gesunken war.
»Als ich fünfzehn war, habe ich eine Zeitlang zu viel getrunken und Haschisch geraucht, mich haben allerdings nur meine Jugend und meine eigene Dummheit dazu getrieben.« Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre. »Diese Geschichte beweist nur, dass es dir eine Zeitlang sehr schlechtgegangen ist, und dass du stark genug warst, dich selbst zu befreien.«
Vanessa fiel ein Stein vom Herzen. »Das war keine große Sache. Ich habe einfach beschlossen, nicht mehr zu trinken. Ich mag ja noch nicht mal den Geschmack von Alkohol.«
Er zog seine Hand zurück. »Macht es dir etwas aus, wenn andere in deinem Beisein Alkohol trinken?«
»Nein, überhaupt nicht.« Sie runzelte nachdenklich die Stirn. »Der Alkohol war eigentlich nicht das Problem. Wenn ich Tabletten gehabt hätte, hätte ich die genommen. Das Problem bestand darin, dass ich eine Auszeit vom Leben genommen hatte. Es war eine Flucht.« Sie lächelte. »Jetzt haben wir aber genug über mich geredet. Erzähl mir von deinen jugendlichen Exzessen.«
Er lachte. »Mit fünfzehn hatte ich eine Phase, in der ich immer nur das Gegenteil von dem machte, was ich tun sollte.« Sein Lächeln verschwand, und sein Blick schien sich nach innen zu kehren. »Ich glaube, ich wollte eine Reaktion meiner Eltern erzwingen. Ich hatte immer versucht, durch angepasstes Verhalten ihre Aufmerksamkeit zu erregen, ohne Erfolg, also beschloss ich, das Gegenteil zu machen – unangepasst zu sein.«
»Und, hat es funktioniert?«
»Nein, der Einzige, dem mein verändertes Verhalten auffiel, war unser Koch, und der
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