Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
Hand weg. »Die Vergangenheit ist vorbei, Christian. Es hat keinen Sinn, sie wieder hervorzuholen.«
Er sah sie eine ganze Weile schweigend an, dann schaltete er die Heizung höher. »Möchtest du noch irgendwohin gehen und eine Tasse Kaffee trinken?«
Dankbar registrierte Vanessa, dass sein Ton normal war, denn so wusste sie, dass sie ihn nicht vor den Kopf gestoßen hatte. Es gab Orte in ihrer Vergangenheit, an die sie nie mehr zurückkehren wollte. Sie wollte einen klaren Schnitt, einen Neuanfang ohne quälende Erinnerungen. »Bei mir könntest du einen ausgezeichneten Kaffee bekommen«, sagte sie.
Ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus. »Das ist das verlockendste Angebot, das mir heute Abend gemacht wurde.«
Sie grinste zurück. »Ich will hoffen, dass es das einzige Angebot ist, das dir heute Abend gemacht wurde.«
Während der Fahrt schwiegen sie. Es war kein unangenehmes Schweigen, aber eines, das Vanessa an unangenehme Dinge denken ließ … zum Beispiel an anonyme Anrufe und Sozialarbeiter und das unerklärliche Auftauchen einer Jacke auf ihrem Sofa.
Sie hatte Jims Familie nichts vom Besuch des Jugendamts erzählt. Sie wollte sie nicht beunruhigen, und wie es schien, war die Angelegenheit beigelegt. Dennoch konnte Vanessa nicht umhin, sich immer wieder zu fragen , wer die Anzeige erstattet hatte, schließlich musste es jemand sein, der mit ihrem Privatleben vertraut war. Die meisten Kollegen im Immobilienbüro hatten sie bereits während der düsteren Phase ihrer Alkoholexzesse gekannt.
»Woran denkst du?«, fragte Christian. Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Du wirkst auf einmal so angespannt.«
»Entschuldige. Ich habe nur darüber nachgedacht, wer mich beim Jugendamt angezeigt haben könnte.«
»Ich hoffe, du zweifelst nicht mehr an meiner Unschuld.«
»Ehrlich gesagt bist du im Moment so ungefähr der einzige Mensch, dem ich hundertprozentig vertraue«, sagte sie.
»Ich wünsche mir sehr, dass du mir immer vertraust«, sagte er. »Ich möchte derjenige sein, an den du dich wendest, wenn du jemanden brauchst.«
Diese Worte vertrieben die unangenehmen Gedanken aus Vanessas Kopf, jedenfalls für den Moment. Sie würde nicht zulassen, dass schlechte Gefühle ihr den Abend mit Christian verdarben.
Da sie ohnehin vorgehabt hatte, ihn zu sich nach Hause einzuladen, hatte sie fast den ganzen Nachmittag aufgeräumt und sauber gemacht.
Stolz erfüllte sie, als er die Diele betrat und sich interessiert umschaute.
»Schönes Holz«, sagte er. »Original, oder?«
»Ja. Wir haben Monate gebraucht, um es abzuschmirgeln . Die Vorbesitzer hatten alles schwarz angestrichen.«
Christian zuckte zusammen. »Warum machen Leute so was? Die natürliche Schönheit von Holz mit Farbe überdecken?«
Sie nahm ihm den Mantel ab und hängte ihn neben ihren in den Garderobenschrank.
»Komm mit. Ich setze Kaffee auf.« Während sie das Wohnzimmer durchquerten, ließ er neugierig den Blick schweifen.
Vanessa war stolz auf das jägergrüne Sofa mit den beige-und grüngestreiften Dekokissen. Das Lindgrün der Vorhänge an den Fenstern hatte einen beruhigenden Effekt und bildete einen harmonischen Kontrast zu den dunkleren Grüntönen.
Jim hatte sich, abgesehen von der Gestaltung seines Ateliers, nie für Einrichtungsfragen interessiert, und so hatte Vanessa bei der Auswahl von Farben und Stoffen freie Hand gehabt.
Die Küche war ein Meer aus Gelb, sonnig und fröhlich, warm und einladend. Vanessa machte eine Geste in Richtung des runden Eichentisches und ging zur Arbeitsfläche, auf der die Kaffeemaschine stand.
»Jetzt weiß ich, warum du so an diesem Haus hängst«, sagte Christian. »Es ist ein richtiges Zuhause, man spürt, mit wie viel Liebe und Sorgfalt es eingerichtet wurde.«
»Als Jim starb, hatte ich wahnsinnige Angst, es zu verlieren.«
»Du sagtest, er hatte keine Lebensversicherung? Seltsam für einen Mann mit Familie.«
»Ich habe auch erst nach seinem Tod davon erfahren.« Ohne aufzublicken, löffelte Vanessa Kaffee in eine Filtertüte. »Er hatte die Versicherung im Jahr vor seinem Tod gekündigt gehabt.« Dann füllte sie Wasser in den Behälter der Kaffeemaschine. »Andererseits weiß ich gar nicht, ob wir sie überhaupt ausbezahlt bekommen hätten, schließlich hat er Selbstmord begangen.«
Sie war am Boden zerstört gewesen, als sie erfuhr, was Jim getan hatte. Aber es war nicht das erste Mal gewesen, dass sein unberechenbares Verhalten sie tief erschüttert
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