Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
zu gehen. Sie wollte ihren Sohn in die Arme nehmen, wollte Christians Liebe hautnah spüren.
»Rufst du mich an, wenn es eine Veränderung gibt oder wenn du irgendwas brauchst?«, fragte sie Eric.
»Klar.« Er küsste sie auf die Stirn. »Danke, dass du gekommen bist.«
Als sie kurz darauf in ihren Wagen stieg, blickte Vanessa besorgt in den Rückspiegel. Nach wem oder was hielt sie Ausschau? Sie hatte Angst, auch wenn sie nicht wusste, vor wem.
Vielleicht ist das alles schon bald vorüber, sagte sie sich. Scott wird aufwachen und Detective King sagen, wer ihn überfallen hat. King wird den Mann verhaften, und dann ist die Sache endlich ausgestanden.
Während der ganzen Fahrt klammerte sie sich an diesen Gedanken. Bevor der Tag zu Ende ging, saß der Schuldige womöglich bereits hinter Gittern.
»So ist das Leben«, hatte ihr Großvater immer gesagt. »Voll wunderbarer Möglichkeiten.«
Und voll schrecklicher Möglichkeiten, dachte Vanessa. Aber nichts blieb für immer schrecklich. Das Leben war nicht statisch. Die Dinge veränderten sich, die Umstände veränderten sich, und Mörder wurden früher oder später gefasst.
Als Vanessa ihr Haus betrat, hörte sie Christian und Johnny ausgelassen johlen. Sie saßen mit der Playstation vor dem Fernseher und spielten Football. Als Christian sie bemerkte, unterbrach er das Spiel, stand auf und kam ihr mit besorgter Miene entgegen.
»Wie geht es ihm?«, fragte er.
»Er ist immer noch bewusstlos.«
»Und wie geht’s dir?« Er zog sie an sich und legte die Arme um sie.
Vanessa blieb eine ganze Weile an ihn geschmiegt stehen, doch dann löste sie sich aus der Umarmung. »Wer von euch beiden gewinnt denn?« Sie zeigte auf den Bildschirm.
»Er, aber ich lerne ja noch«, erwiderte Johnny. »Nächste Woche müsste ich ihn eigentlich schlagen.«
»Dann streng dich an, Kumpel«, neckte Christian ihn.
Als Johnny im Bett lag, setzten Vanessa und Christian sich aufs Sofa und starrten ins knisternde Kaminfeuer. Vanessa hatte noch zweimal im Krankenhaus angerufen, um sich auf den neuesten Stand bringen zu lassen, aber Eric hatte ihr gesagt, dass es immer noch keine Veränderung gab.
»Du solltest dir vielleicht eine Weile freinehmen«, schlug Christian vor, als Vanessa sich an ihn schmiegte. »Nur so lange, bis die Polizei die Morde aufgeklärt hat.«
»Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich den ganzen Tag hier rumsitzen und grübeln müsste«, erwiderte sie. »Außerdem glaube ich nicht, dass ich persönlich in Gefahr bin.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Wenn der Täter mir etwas hätte antun wollen, hätte er bestimmt nicht nur das Kleid mit dem Messer attackiert. Er hätte sich im Schrank versteckt, gewartet, bis ich allein bin, und mich dann getötet.«
Christian zog sie fester an sich. »Sag bitte nicht so etwas.«
Ein Gedanke schoss Vanessa durch den Kopf, und sie sah Christian aufmerksam an. »Könnte es sein, dass du auch eins der Opfer sein solltest? An dem Abend, als du überfallen wurdest?«
Christians rauchblaue Augen trübten sich. »Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen.«
»Ich glaube, du solltest Detective King von dem Vorfall berichten. Da er die Anzeige nicht aufgenommen hat, weiß er bestimmt nichts davon.«
»Ich rufe ihn gleich morgen früh an«, sagte Christian. Er zog Vanessas Kopf wieder an seine Brust und streichelte ihr übers Haar. »Alles wird gut, Vanessa. Wir stehen das gemeinsam durch.«
Sie schloss die Augen und lauschte auf das gleichmäßige Schlagen seines Herzens. Wenn er doch nur recht hat, dachte sie.
25
Als Vanessa am nächsten Morgen ins Büro fuhr, hingen die Wolken so tief, dass sie beinahe die Erde berührten. In den letzten Wochen hatte glücklicherweise kaum ein Lüftchen geweht, doch jetzt war der stürmische Nordwind zurückgekehrt, blies nahezu mit Sturmstärke.
Am Nachmittag sollte es Schnee geben, und Vanessa hoffte, zu Hause zu sein, bevor die ersten Flocken fielen.
Scotts Zustand war nach wie vor unverändert, was insofern beruhigend war, als es ihm nicht schlechterging. Aber es ging ihm auch nicht besser, und das war beunruhigend.
Streufahrzeuge waren in Richtung Autobahnen unterwegs, um die Straßen auf den angekündigten Schneesturm vorzubereiten.
Vanessa hatte zwei Termine vereinbart, einen für zehn Uhr und einen für halb eins. Um zehn war sie mit den Perricios verabredet, dem netten älteren Ehepaar, dem sie schon vor den Weihnachtsferien ein paar Häuser gezeigt hatte. Um halb eins wollte
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