Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
Vater wohl von ihm wollte, der – wenn er pünktlich war – in knapp einer Viertelstunde durch diese Tür kommen würde. Herr Weingerber hatte ihn heute Morgen in der ersten Pause - gegen Viertel vor zehn – angerufen und ziemlich aufgeregt verkündet, dass er heute noch mit ihm sprechen müsse. Rainer Kirchhoff war natürlich schon in der ersten Stunde aufgefallen, dass Alex nicht in der Schule war. Er hätte ohnehin bei ihr zu Hause angerufen, aber so war Herr Weingerber ihm zuvor gekommen und das musste gute Gründe haben. Hinter dem Fehlen von Alexandra steckte also etwas. Er zündete sich die Zigarette an, stand von seinem Stuhl auf und öffnete das Fenster links von seinem Schreibtisch, obwohl es recht frisch draußen war. Der Frühling war wieder zu ahnen; die Sonne schien von einem klaren Himmel herab, es waren aber nur 13°. Er lächelte. Auch die Kinder waren bei einem solchen Wetter ganz anders. Er verlor sich etwas in Gedanken und beobachtete eine Amsel, die sich abmühte, auf einem Stück Schulhof, das nicht asphaltiert war, einen Wurm aus der Erde zu ziehen. Es klopfte und die Tür wurde geöffnet. Herr Kirchhoff drehte sich zu ihr hin. Ein etwa vierzigjähriger Mann steckte seinen Kopf durch den Spalt.
„Andreas Weingerber. Sind Sie Herr Kirchhoff?“
„Ja. Herr Weingerber, kommen Sie herein!“
Er ging dem Mann entgegen, der durch die Tür trat und sie hinter sich schloss. Beide gaben sich die Hand zur Begüßung. Rainer Kirchhoff wusste in diesem Augenblick, dass dies ein schwieriges Gespräch würde, aber dass ihm Herr Weingerber sympathisch war. Er bot ihm einen Kaffee an, den er aber ablehnte. Seiner Aufforderung Platz zu nehmen folgte er ohne zu zögern.
„Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Weingerber?“
Der Lehrer blickte Alex’ Vater offen ins Gesicht.
„Das ist nicht so ganz einfach! Ihnen ist ja schon aufgefallen, dass Alex heute nicht in der Schule ist.“
Als er sah, dass der Lehrer nickte, fuhr er fort: „Alexandra hatte gestern einen unangenehmen Zusammenstoß mit einer Schülerin aus der Paralleklasse, ich glaube, es war die 7C.“
„Um welche Schülerin handelt es sich da?“
„Das ist so eine Sache.“, erwiderte Herr Weingerber und zierte sich offensichtlich, mit der Sprache herauszurücken. „Alex hat mir nur für den Fall erlaubt, Ihnen den Namen zu sagen, dass Sie dem entsprechenden Mädchen nicht erzählen, von wem Sie ihn haben.“
Er lächte den Lehrer verlegen an. Herr Kirchhoff lehnte sich zurück und sein Blick wurde hart.
„Herr Weingerber“, entgegnete er, „Sie glauben doch nicht, dass ich jetzt mit Ihnen rede und anschließend Hinz und Kunz erzähle, was Sie mir erzählt haben!“.
„Natürlich nicht! Ich wollte Ihnen das nur sagen, weil es zeigt, welche Angst meine Tochter hat.“
Herr Kirchhoff nickte Herrn Weingerber aufmunternd zu.
„Sie hat es mir erst heute Morgen erzählt. Ich musste mir deswegen frei nehmen, was mir eigentlich gar nicht recht ist, aber es scheint wirklich wichtig zu sein. So habe ich meine Tochter nämlich noch nie erlebt. - Es geht um Stephanie Wibert …“.
Herr Weingerber erzählte detailliert, was Alex mit Steffie im Forum erlebt und ihm berichtet hatte. An der Stelle, als Steffie behauptete, sie sei ein Model von Herrn Weingerber und er habe Fotos und Videos mit ihr gemacht, wurde die Stimme des Mannes brüchig und er räusperte sich. Gleichzeitig fuhr der Lehrer zusammen.
„Stoppen Sie dieses Mädchen!“, drängte Herr Weingerber ihn verzweifelt. „Die kann mich mit einer solchen Behauptung fertig machen! Wo soll das hinführen? Warum tut sie das?“
Als er abschließend erzählte, wie Steffie Alex ins Gesicht geschlagen und beschimpft hatte, wischte er mit seiner Hand vor seinem Gesicht herum.
„Das Mädchen hat sie doch nicht alle!“.
Herr Kirchhoff fühlte sich plötzlich unendlich müde. Er raffte sich in dem Stuhl auf, in dem er zusammengesunken war, holte tief Luft und wollte etwas erwidern, aber seine Stimme versagte. Beim zweiten Versuch klappte es.
„Glaubt Alex Ihnen?“, fragte er.
„Natürlich! Wo denken Sie hin?“
„Das ist gut so!“, beschwichtigte ihn der Lehrer. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich nachher – sagen wir so gegen zwei – bei Ihnen vorbeischaue, damit wir mit Ihrer Tochter noch einmal reden können?“
„Nein, Sie sind willkommen. Meine Tochter sagt, Sie sind in Ordnung.“
Herr Weingerber lächelte ihn fast dankbar an.
„Das freut mich.“, erwiderte Herr
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