Dunkelmond
alles, was blieb, war ein dumpfer Druck.
Er war nur ein gemeiner Sklave. Und wenn er dem Befehl des Heermeisters gehorchte, würde die von ihm geschmiedete Waffe dazu dienen, sein eigenes Volk zu unterdrücken.
Aber weigerte er sich, würde sein Volk ebenfalls darunter zu leiden haben. Nein, für Stolz gab es keinen Grund.
Verstohlen betrachtete er weiter die Handwerker, die ihrem Tagwerk nachgingen. Keiner von ihnen trug das goldene Sklavenband. Jedenfalls war es an keinem zu sehen.
»Sie tragen kein Band«, sagte der Hauptmann jetzt, als könnte er Sinans Gedanken lesen. »Sie haben keines und bleiben dennoch, weil sie wissen, dass der Heermeister, der hier im kastron die Hausgewalt hat, ein gestrenger, aber auch gerechter Herr ist.«
Sinan antwortete nicht. Menschen, die freiwillig den Elben dienten? Verachtung stieg in ihm auf. Doch wie jedes Gefühl wurde auch dieses von der goldenen Kraft in den Sklavenbändern sofort wieder vertrieben.
»Komm jetzt. Ich zeige euch die Werkstatt, in der ihr arbeitenwerdet. Wenn du dich bewährst, wird der Fürst vielleicht veranlassen, dass auch deine Bänder abgenommen werden.«
Sinan schwieg. Dass man ihm mit Hilfe der Sklavenbänder die Gefühle nahm, war etwas Furchtbares. Dennoch empfand er die Demütigung, die damit verbunden war, weniger schlimm als erwartet.
Ob das gut oder schlecht war, musste sich erst noch zeigen.
Die Werkstatt, die man ihm auf den Befehl des Heermeisters eingerichtet hatte, ließ Sinan insgeheim staunen. Nichts fehlte darin, Sinan entdeckte darin sogar ein paar seiner schweren Schmiedehämmer mit den magischen Zeichen und auch den Satz feine Stichel, den er verwendet hatte, um den Muskelpanzer des Königs zu verzieren.
Er empfand eine gewisse Erleichterung, als er all das vorfand. Wegen der offenen Abneigung des Königs und dessen Bruders hatte er eigentlich erwartet, dass man die Werkzeuge als der Dunklen Magie zugehörig vernichten würde, nachdem man sie ihm fortgenommen hatte. Nun kamen sie ihm wie vermisste Erinnerungen vor, die unversehens wiederkehrten.
Sein Finger strich über den Sickenhammer, der auf einem Amboss lag und den der Älteste des Abend-Klosters ihm am Morgen seiner Weihe geschenkt hatte. Er war das wertvollste Werkzeug, das Sinan besaß. Der Hammer bestand aus silbrig glänzendem Stahl, der nicht anlief und stets wie neu aussah, obwohl er so alt war, dass er sogar von Meister Vakaran hätte stammen können.
»Hauptmann Gomaran!«
Der Mann, der nun herankam und sowohl Sinan als auch die beiden anderen Schmiede neugierig musterte, war ein Mensch. Er trug eine grobe Leinenhose und eine blaue Tunika darüber. Sinan wusste sofort, dass es der Burgvogt war.
»Hauptmann.« Bertalan verneigte sich kurz vor Gomaran. »Der Fürst schickt mich. Er wurde vom König gebeten, am ersten Verhör der Rebellin teilzunehmen, die wir vor knapp einem Mondumlauf ergreifen konnten. Er bittet Euch, zu ihm zu kommen und die drei Schmiede in meiner Obhut zurückzulassen. Er wird sich ihnen widmen, sobald er kann.«
Der Hauptmann nickte kurz und verschwand, ohne noch einmal das Wort an die Schmiede zu richten.
»Wie lauten eure Namen?«, wollte Bertalan wissen. »Ich werde euch dem Fürsten noch einmal vorstellen. Er will zu euch kommen, sobald er das Verhör des Schankmädchens beendet hat.«
Sinan musste sich zusammennehmen, um sich nicht umzudrehen.
Sanara.
Der Gedanke, er könne seiner Schwester nach Jahren wieder so nah sein, versetzte sein Inneres ungeachtet der Sklavenbänder in Aufruhr. Er hatte sie und die anderen vor Jahren hier in dieser Stadt zurückgelassen. Er war im Streit von ihr gegangen, hatte ihr übel genommen, dass sie den Vater nach all den Jahren immer noch in Schutz nahm und dass sie ihre Gabe, die Jenseitigen Nebel betreten zu können, nicht gegen die Elben einsetzen wollte.
Doch nun siechte sie in einem Verlies, ja, in einer Folterkammer und musste sich erneut dem Mann stellen, der das Massaker im Kloster des Westens zu verantworten hatte.
Einen Herzschlag lang hörte Sinan wieder das verzweifelte Weinen der kleinen Schwester, vor deren Augen Tarind Norandar ihren Vater gequält und den Ältesten des Klosters enthauptet hatte. Er verkrampfte, als er sich vorstellte, dass Sanara, geschwächt von Kälte, Wasser und Sturm, dem Elb und seinem Zwilling in diesem Moment erneut gegenüberstand.
Aber wie damals war er jetzt hier. Der große Bruder. Wieder in der Nähe seiner Schwester, die offenbar beschlossen
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