Dunkelziffer
sich Emily bei der Organisation, während ihr Vater deren dirty work ausführte.«
»Um es einmal so zu sagen«, sagte Chavez.
»Organisierte Pädophilenserienmorde?«, sagte Jon Anderson. »Wie führt man so etwas durch?«
»Ich glaube, wir kommen der Antwort sehr viel näher, wenn ihr die euch zugeteilte Aufgabe ernst nehmt«, sagte Kerstin Holm und zeigte auf die Bildschirme. »Es ist wahrscheinlich, dass es diese Organisation war, die die Korrespondenz zwischen Sten Larsson und Emily Flodberg mitverfolgt hat. Vermutlich sind sie darauf gestoßen, als sie ein Mitglied des Pädophilenrings eingekreist haben, nämlich Sten.«
»Oder sie hatten eine Spezialbewachung auf Emily angesetzt«, sagte Chavez. »Dein kleiner Gott scheint seine Opfer ja ständig unter Kontrolle gehabt zu haben. Auf jeden Fall Elvira Blom. Warum dann nicht auch Birgitta Flodberg und ihre Tochter? Emily war ja praktisch eine Frucht ihrer in höchstem Grade illegitimen Verbindung.«
»Das werde ich jetzt herausfinden«, sagte Kerstin Holm und verließ den miefigen Computerraum.
Im Korridor atmete sie ein paarmal tief durch, bevor sie zu dem kleinen Vernehmungsraum hinüberging. Die Wache sitzende Polizeiaspirantin nickte kurz, als Kerstin Holm die Tür öffnete und eintrat.
Birgitta Flodberg hatte ihre verbiestertste Miene aufgesetzt. Diesen Blick, der nicht mehr die Chance bekam, zu den matten Wolkenschleiern über Hammarby Sjöstad hinaufzuziehen. Stattdessen richtete sie ihn, äußerst wässrig, in Kerstin Holms Augen.
»Okay, Birgitta«, sagte Kerstin und setzte sich. »Ich schalte das Tonbandgerät noch nicht ein. Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich alles weiß. Die Dinge sind in ein anderes Licht gerückt. Wir wissen von den Besuchen eines großen und schweren Mannes in den besten Jahren bei Elvira Blom. Dem Mann, der sie höchstwahrscheinlich vor fünfzehn Jahren vergewaltigt und ihr eine schwere Hirnverletzung beigebracht hat. Er bringt ihr Cola-Schlangen. Ihnen hat er Geld gebracht. Genug jedenfalls, um damit eine teure Dreizimmerwohnung in Hammarby Sjöstad zu kaufen.«
Birgitta Flodberg blieb gänzlich unbeteiligt.
Kerstin Holm hob ihre Stimme und fuhr fort: »Wir müssen wissen, wer er ist. Er ist groß, fleischig und muskulös, hat ein fleckiges Gesicht, und Ihre Freundin Elvira nennt ihn den kleinen Gott. Er hat vier Finger an der linken Hand.«
Immer noch keine Reaktion.
»Er hat Ihre Tochter, verflixt noch mal«, platzte Kerstin Holm heraus. »Der Kinderschänder, der Sie vergewaltigt und Ihr Leben kaputtgemacht hat, der Vergewaltiger, der Elviras Gehirnschaden auf dem Gewissen hat, dieser Mann hat jetzt Ihre Tochter in seiner Gewalt. Wie können Sie hier sitzen und ihn decken? Hassen Sie Ihre Tochter so sehr, dass Sie ihr wünschen, genauso vergewaltigt zu werden wie Sie?«
Jetzt sah Birgitta Flodberg tatsächlich ein wenig zornig aus. Kerstin entschied sich, hart dagegenzusetzen: »Sie haben es von Anfang an gewusst. Sie haben der Polizei die Arbeit derart erschwert, dass Sie sich auf einen langen Aufenthalt im Frauengefängnis Hinseberg gefasst machen können, wo Sie zur Abwechslung ausprobieren können, wie es ist, von Frauen vergewaltigt zu werden.«
Falscher Weg. Birgitta Flodberg entspannte sich und kehrte zu ihrer gleichgültigen Haltung zurück.
Neuer Versuch: »Emily ist dabei, wenn er seine Morde begeht. Verstehen Sie das? Er mordet in Serie, und Ihre Tochter ist bei ihm. Das ist schlimmer als eine Vergewaltigung.«
»Nur Kinderschänder«, sagte Birgitta Flodberg. »Und sie ist nicht dabei, sie weiß nichts davon.«
Kerstin Holm merkte, wie sie die vorzeitig gealterte Dreißigjährige anstarrte. »Woher wissen Sie das?«, sagte sie mit Nachdruck.
Aber Birgitta Flodberg kehrte in ihren neutralen Zustand zurück. Allerdings spielte diesmal ein leichtes Lächeln um ihre Mundwinkel.
»Nein«, sagte Kerstin Holm. »Jetzt sind Sie zu weit gegangen, um zu schweigen. Sie wissen also, dass er unterwegs ist und Kinderschänder ermordet. Aber damit nicht genug. Sie wissen, dass Emily nicht bei ihm ist. Sie haben also Kontakt gehabt. Nur mit ihm oder auch mit Emily?«
»Nicht mit Emily«, sagte Birgitta Flodberg. »Sie will nichts von mir wissen.«
»Wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass es ihr gut geht. Wahrscheinlich besser als seit langer, langer Zeit. Ich habe nicht viel getaugt als Mutter.«
»Wieso nicht?«
»Wir sind uns entglitten. Sie kam auf die falsche Bahn. Ich habe
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