Dunkelziffer
angezeigt worden. Für uns bestand kein Zweifel daran, dass Sten Larsson der Schuldige war. Und bei einer Gegenüberstellung bezeichnete Hanna Ljungkvist ihn als den Täter. Es war sonnenklar.«
Sie verließen das Krankenhaus und gingen durch die helle Sommernacht zu Alf Bengtssons einsam parkendem Wagen.
Er ließ die Kollegen einsteigen und fuhr fort: »Larsson wurde einhellig schuldig gesprochen. Hanna Ljungkvist war da und identifizierte ihn erneut. Er bekam sieben Jahre, saß fünf davon in Härnösand ab und war im Herbst 1995 wieder da. Seitdem ist es vollkommen still um ihn gewesen. Er steht in keinem Register.«
»Aber«, sagte Gunnar Nyberg und zog auf der Rückbank sorgfältig den Sicherheitsgurt um seinen massiven Körper, »Sten Larsson hat sich nie schuldig bekannt.«
Bengtsson drehte den Zündschlüssel, bekam den alten Mercedes in Gang und trat aufs Gas wie ein jugendlicher Möchtegernrennfahrer.
»Ihr meint also«, sagte er, während er durch Sollefteä kurvte, »dass diese Hanna Ljungkvist die Mutter der verschwundenen Emily Flodberg sein könnte?«
»Es hat den Anschein«, sagte Sara Svenhagen, blätterte in Bengtssons Mappe und fand, was sie suchte. »Hier, Hanna Birgitta Ljungkvist. Jetzt vermutlich Birgitta Flodberg in Hammarby Sjöstad.«
»Und die Tochter kommt hier herauf, um Rache zu nehmen?«
»Nicht unbedingt«, sagte Sara. »Vielleicht wollte sie nur ihren Vater treffen.«
»Und ihm ist dabei die Kehle durchgeschnitten worden«, sagte Bengtsson. »Aus reinem Zufall. Doch wohl kaum.«
»Ich möchte diese Ermittlung trotzdem genau durchlesen«, sagte Sara und wedelte mit der Mappe. »Wenn das in Ordnung ist«, fügte sie sicherheitshalber hinzu.
»Lest, was ihr wollt«, sagte Alf Bengtsson. »Wir haben nichts zu verbergen.«
Die Polizeiwache war verschlossen. Die Nachtbereitschaft war wegrationalisiert worden. Bevor Bengtsson Licht machen konnte, entdeckte Sara am hinteren Ende des lang gestreckten Korridors ein kleines Licht.
»Arbeitet heute Abend jemand?«, fragte sie.
»Davon weiß ich nichts«, sagte Bengtsson und runzelte die Stirn. »Außer in der Untersuchungshaft.«
Dann hellte sich sein Gesicht auf, er wanderte schneller den Korridor entlang und sagte: »Es sei denn, euer Computerexperte.«
Der war es.
In einem Zimmer, das mehr einer Besenkammer glich, saß ein junger Mann mit langen Koteletten und mit einer Laborausrüstung, die dem ganzen Kabuff einen Schimmer von Unwirklichkeit verlieh. Als er sich dazu noch umdrehte und Sara Svenhagen mit einem so intensiven Blick fixierte, dass sie zurückzuckte, erschien er wie ein Erfinder aus dem neunzehnten Jahrhundert auf halbem Weg in die nächste Zeitdimension.
»Na, noch bei der Arbeit, Ollen?«, sagte Bengtsson in ironischem Ton und verließ den Angesprochenen, ohne eine Antwort abzuwarten.
Gunnar Nyberg und Lena Lindberg folgten ihm. Sara Svenhagen zögerte lange genug, dass der Mann im Kabuff ihr die Hand hinstreckte und sagte: »Bist du möglicherweise Brynolfs Tochter Sara?«
Sara musste zwinkern angesichts dieser sonderbaren Vorstellung und sagte mit einiger Verzögerung: »Ja...«
»Dein Vater«, sagte der Mann und bekam diesen leicht irren Glanz in den Augen, »ist ein bewundernswerter Mensch.«
»Was du nicht sagst«, gab Sara zurück. »Und wer könntest du sein?«
Zu ihrer Verteidigung muss gesagt werden, dass sie mit der sozialen Kompetenz der Untertanen ihres Vaters auf dem kriminaltechnischen Gebiet hinlänglich vertraut war.
Der Kotelettengeschmückte starrte sie einen Augenblick an, als hätte sie eine Litanei undurchdringlicher Fachtermini von sich gegeben. Doch schließlich glättete sich sein Gesicht, und er sagte: »Entschuldigung. Jerker Ollen. Ich arbeite für deinen Vater. Ich bin Datenrestaurator.«
»So etwas gibt es?«, sagte Sara Svenhagen.
»Mehr, als du ahnst«, sagte Ollen geheimnisvoll und fand seine Erfindermiene wieder.
Sara seufzte - der junge Mann unterschied sich kaum von den anderen jungen Männern, mit denen ihr Vater sich umgab - und sagte: »Und was hast du gefunden?«
Ollen vollführte eine Geste in Richtung der Apparaturen vor sich. »Carl-Olof Strandberg war wirklich ziemlich erfolgreich bei der Zerstörung der Festplatte. Sten Larssons Festplatte geht es gar nicht gut. Sie ist so stark beschädigt, dass der Fall noch vor, sagen wir, einem halben Jahr als hoffnungslos gegolten hätte angesehen werden müssen.«
»Aber du hast...?«, sagte Sara hilfsbereit.
»Aber
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