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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Ausblicke in die Gegend rundum boten und sich an den Wechsel von Tag und Nacht hielten.
    Als Genaro in den Neunzigern aus Italien in die USA eingewandert war, hatte er eine kleine, aber einzigartige Antiquitätensammlung mitgebracht und zunächst oben im Haus aufgestellt. Dann aber wiesen die empfindlicheren Altertümer erste Verfallserscheinungen auf, und er transferierte die Kollektion in die Schatzkammer, wo die gefilterte Luft und die Klimakontrolle sie besser schützten. Die Verlagerung hatte aber noch einen weiteren unmittelbaren Vorteil: dass diese Gegenstände allen Blicken entzogen waren. Genaro hatte den Großteil seines Lebens darauf verwendet, diese Antiquitäten zu beschaffen, und sein Besitzerstolz war enorm. Nun stellte er fest, wie sehr er es genoss, sie an einem wirklich sicheren Ort zu lagern, wo er allein sich an ihnen erfreuen konnte.
    Dies hatten ihn die Gewohnheiten des einzigen Mannes gelehrt, der ihn, wie er annahm, womöglich verstanden hätte: seines adligen Vorfahren Septus Janus Genarius aus Rom.
    Die zwölfhundertzweiundvierzig Gegenstände reichten von Marmorstatuen, die er in der alten toskanischen Villa seines Vorfahren geborgen hatte, bis zu Dutzenden von Bronze- und Terrakottafigürchen, die von Sammlern oder aus dem Nahen Osten stammten, wo der Schwarzmarkt für antike Kunstwerke blühte. All diese Plastiken zeigten Kopf oder Büste des Genarius oder dessen Ganzkörperstatue in der fließenden Toga eines römischen Senators oder der reich verzierten Rüstung eines Legionskommandeurs.
    Verschiedene Rüstungen – genaue Reproduktionen dessen, was Genarius seinerzeit in der Legion getragen haben dürfte – waren auf Ankleidepuppen ausgestellt, die Jonah nach dem Vorbild der vielen Statuen seines Vorfahren hatte fertigen lassen. Er hätte lieber die Originalrüstungen gehabt, doch die waren im Laufe zweier Jahrtausende verloren gegangen.
    Genarius war einer der reichsten Männer seiner Zeit gewesen, und seine Habe zeugte von diesem privilegierten Leben: In seinem Landhaus hatte man teure Bronzespiegel, gegossene Gefäße, handgefertigte Kelche und kostspielige Lampen gefunden – und einige der wenigen Schmuckstücke aus geblasenem Glas, die aus jener Epoche überlebt hatten. Der vorsichtige Senator hatte unter seiner Villa zudem Säcke mit Münzen versteckt, von denen manche so selten waren, dass sie bisher nur Genaro katalogisiert hatte.
    Aufzeichnungen und Kohlenstoffdatierungen ließen vermuten, dass Genarius kurz vor seinem Tod all seine Habe aus dem Landhaus geholt und unterirdisch verborgen hatte. Vielleicht war er vor einer Seuche gewarnt worden und wollte seinen Reichtum sichern, ehe sie seinen Haushalt erreichte; das würde Genaro nie erfahren. Jedenfalls hatte der Senator den Großteil seiner Habe in Kellerverstecke geschafft, wo sie zwei Jahrtausende lang unbehelligt gelegen hatte.
    Die Schriftrollen zu finden, die Genarius beschrieben, versiegelt und in den Tunneln unter seinem Stadtgrundstück verborgen hatte, war zeitaufwendiger gewesen, aber letztlich hatte Genaro auch diese Schatzkammer entdeckt und geöffnet. Es gab bis ins zehnte Jahrhundert zurückreichende Bücher, Briefe und Handschriften, die sich entweder ausschließlich mit Genarius befassten oder ihn doch an prominenter Stelle erwähnten. Viele erzählten die Geschichte vom einfachen Fußsoldaten, dessen Mut ihn beim Militär hatte aufsteigen lassen, bis er schließlich ganze Armeen kommandierte.
    Die Originalproklamation des Augustus, durch die er Genarius in den römischen Senat berufen hatte, war das wertvollste Stück in Genaros Sammlung; als Beweis für den Adel ihres Vorfahren war dieses Schriftstück in seiner Familie durch zahllose Generationen vererbt worden.
    Genarius war ein bedeutender Mann gewesen und hatte drei Kaisern, die sich ihm dafür erkenntlich gezeigt hatten, wesentlich bei der Errichtung des Römischen Reichs geholfen. Neben den Cäsaren waren nur wenige römische Adlige je in Stein verewigt worden, was seine herausragende Stellung in der Machtelite des Reichs nur unterstrich.
    Genarius hatte auch Spuren eines so hingebungsvollen wie verblüffenden Interesses am Fortkommen eines angesehenen Lagerpräfekten namens Tanicus hinterlassen. Wie er selbst war Tanicus vom Fußsoldaten über den Hundertschaftsführer zum höchsten Zenturio aufgestiegen und hatte es bis zum Stellvertreter des Vizekommandanten der Legion gebracht. Zunächst hatte Genaro vermutet, sein Vorfahr habe seinen Einfluss

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