Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
ich möchte mich nochmals in aller Form entschuldigen, dass ich die Zusammenhänge nicht sofort erfasst habe, als von Wolf Sie vorgestellt hat.” Er paffte an der Zigarre und stach vorwurfsvoll mit ihr in Roberts Richtung. „Sie hätten mir aber auch einen klitzekleinen Hinweis geben können, junger Freund. Sie haben mich mit Ihrer Geheimniskrämerei ganz schön in die Bredouille gebracht.”
Er lachte gutmütig und lehnte sich wieder zurück in seine Couchecke. Der kaum merkbare gönnerhafte Unterton hatte nun einer mehr oder minder offenen Neugier Platz gemacht. War es denn möglich, dass dieser zwar gescheite, aber völlig mittellose Parteisekretär sich Harry Humphreys Tochter geangelt hatte? August hatte genug Erfahrung, um zu sehen, dass das keine lockere Bekanntschaft war. Die zwei waren mehr als verliebt, sie hatten den Rubikon überschritten, das sah doch ein Blinder. Donnerlittchen, wie verrückt die Würfel doch fallen konnten. Na, wer wüsste das besser als er selbst. Ida würde Augen machen, wenn er ihr das erzählte. Ach was, Tout Berlin würde Kopf stehen, wenn das an die Öffentlichkeit kam. Na, seinen Segen hatte der Junge auf jeden Fall. Ob er den von dem alten Humphreys auch hatte? August Stauch war sich da nicht so sicher.
Robert spielte seine Rolle mit eiserner Disziplin: „Es tut mir im Nachhinein ja leid, Herr Stauch, aber Jayata und ich haben ganz einfach nicht daran gedacht. Es schi en uns wirklich nicht wichtig.”
Er hob die Hände als Ausdruck seines Bedauerns mit einem kleinen Lächeln von der Sessellehne und niemand bemerkte ihr Zittern. Alles was jetzt zählte, war, die nächste halbe Stunde zu überstehen und ohne Eklat Stauchs Haus zu verlassen. Er war viel zu nobel, um Jayata hier sitzen zu lassen. Er sah, dass sie unter Schock stand, weil ihr Lügenmärchen dank dem unbedarften Kuno Schneider wie ein Kartenhaus in sich zusammen gefallen war. Sie saß nun in den Trümmern, und er wusste, dass sie sich nicht allein aus dieser Situation befreien konnte. Nun gut. Sie waren als Paar gekommen, sie würden zwar nicht als Paar, aber doch zumindest gemeinsam dieses Haus auch wieder verlassen. Die Welt durfte erst untergehen, wenn sich die Tür von Zimmer Nr. 11 hinter ihm geschlossen hatte und er allein war. Roberts war so tief an seiner verwundbarsten Stelle getroffen, dass er bedingungslos kapitulierte. Er fragte nicht, warum Jayata ihm diese verlogene Vita aufgetischt hatte, denn er dachte ja, es bereits zu wissen. Eigenartigerweise spürte er auch nicht das Verlangen, die Zeit zurückzudrehen und diesen Abend ungeschehen zu machen. Er wollte um nichts mehr kämpfen, am allerwenigsten um sie. Er wollte allein mit sich selbst sein. Zu sich selbst zurückfinden. Wieder der alleinige Herr seiner Gefühle werden und nicht auf Gedeih und Verderb den Launen und Lügen eines anderen Menschen ausgesetzt sein. Im schützenden Unterholz der Einsamkeit würde ihr Bild verblassen, der Schmerz nachlassen und über die Zeit ganz vergehen. Seine Hände lagen jetzt ruhig auf der Sessellehne, wie bei einer Konzentratio nsübung. Der Damm würde halten.
Stauch und Schneider schwadronierten einträchtig über einen neuen Anfang in Südwest und all die tollen Sachen, die sie beide noch anzetteln würden. Der Krieg war lange vorbei und jetzt waren die Karten neu ausgeteilt. Es ging aufwärts, und hol’s der Teufel, wenn sie beide da nicht gewaltig mitmischen würden. Robert schaute über ihre nickenden, grauen Köpfe still auf Jayata. Ihre Augen starrten auf einen weit entfernten Punkt, den außer ihr niemand sah. Er wollte diesen Augenblick nutzen und sie noch einmal betrachten, ganz ruhig, ohne Gedanken. So wie man das letzte Bild in einer Galerie betrachtet, schon halb auf dem Weg nach draußen. Oder eine schöne Landschaft, die man verlässt, kaum dass man sie zufällig auf einer Reise entdeckt hat. Mehr sollte Jayata nicht mehr sein. Bilder, Landschaften, Zufälle. Alles war Bewegung, alles war Vergangenheit, noch bevor es richtig begonnen hatte.
Er musste jetzt gehen. Es war hohe Zeit.
3. Kapitel
Seilschaften
„Bitte nimm Platz, Hans. Wir haben dich erst am späten Nachmittag erwartet. August ist noch in seinem Büro in Berlin.”
Ida Stauch saß im Wintergarten und erschien Hans Merensky so im Einklang mit ihren Topfpalmen, dass er sich fragte, ob sie je wieder das Bedürfnis haben würde, in einem Land zu leben, wo Palmen nicht in Kübeln wachsen. August hatte in den letzten Jahren
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