Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
er als halber Buschmann viel größere Überlebenschancen hatte, als die beiden anderen. Robert war sicher, dass die prähistorische Austernbank auf dieser Höhe vom Wind freigelegt und gut zu erkennen sein würde.
Seit Jahrmillionen brachte, schichtete, verwehte und sortierte der Wind unermüdlich den Wüstensand. Er bestand, ähnlich wie der arktische Schnee, aus vielen verschieden winzigen Kristallarten. Den leichtesten und feinsten Sand findet man immer an der Spitze der Dünen, schnell vom Wind hergeweht, genauso schnell wieder davongetragen und immer wieder neu in weit gekämmten Mustern arrangiert. Je tiefer man in die Dünentäler vordringt, desto schwerer und größer werden die Sandkörner. Ihr Gewicht widersetzt sich den schwächeren Winden. Sie folgen stattdessen der Schwerkraft und rollen langsam aber stetig bergab. Nur sehr starke Winde oder ein Sandsturm tragen auch sie davon. Wind und Schwerkraft sortieren auch aluviale Diamantvorkommen in der Wüste. Robert dachte an August Stauch und seine Entdeckungen im Pomonatal. Die Diamanten lagen dort offen im Sand, man musste ja zu Anfang nicht einmal nach ihnen graben. Der Wind hatte sie freigeweht, und die größten fanden sich in den dichten, schweren Sandkristallen der tiefen Dünentäler. Ernst hatte Robert beigebracht, die Konsistenz, Größe und Zusammensetzung des Sandes zu erkennen und die richt igen Schlüsse daraus zu ziehen. Jetzt, wo er allein auf dem Weg hinauf zum Dünenkamm war, lächelte Robert, als er an den exzentrischen Buschmann h.c. dachte. Wie viel verdammtes Glück er doch gehabt hatte, diese Schatzjäger kennenzulernen.
Und da drüben war das Kliff! Robert warf den Rucksack ab, stampfte mit den Füßen einige Male hart auf, um jede Schlange und jeden Skorpion im Umkreis zu vertreiben und ließ sich in den kleinen Schattenstreifen neben dem Felsgrat fallen. Er trank ein paar Schlucke aus einer seiner Wasserflaschen. Mit dem Wasser musste er sparsam umgehen, bis das Wasserloch gefunden war. Aber das hatte Zeit bis morgen; jetzt wollte er einfach graben und Diamanten finden. Er klopfte mit dem Hammer ein paar Gesteinsproben ab und hob entlang dem Felsen einen halben Meter tiefen Graben aus, bis der schmale Streifen der versteinerten Austern zum Vorschein kam. Na bitte, wer sagt’s denn. Ein Kinderspiel. Jetzt mussten die Schätzchen jeden Moment auftauchen. Robert sang und pfiff vor sich hin, während er mit Schwung weiter schaufelte. Zwischendurch führte er kleine Selbstgespräche, mit denen er die erwarteten Schätze anlockte, wie eine Bäuerin die Hühner, oder ein Kind seine Katze. Aber das Glück ließ auf sich warten. Die Schaufel förderte Sand, Sand und noch einmal Sand zutage. Gegen vier Uhr nachmittags sank seine Begeisterung gegen Null. Er war die Sache leid. Bisher hatte er einfach zu viel Glück gehabt und überhaupt keine Gelegenheit, sich in der wichtigsten Eigenschaft zu üben, die ein Digger mitbringen muss: Geduld. Jetzt hatte er keine Lust mehr und suchte nach einem guten Grund, für heute Schluss zu machen. Er konnte ja bis zum Einbruch der Dunkelheit das Wasserloch suchen. Erleichtert über diesen Entschluss warf er die Schaufel hin, kletterte aus dem Loch und ging hinüber zu seinem Rucksack. Guter Platz, schöne Aussicht, windgeschützt, perfektes Lager. So dachte er und packte seine wenigen Habseligkeiten aus. Er hockte sich auf den von Wind und Sand glatt geschliffenen Felsen, kaute krachend einen Zwieback und studierte seine Karte. Das Wasserloch musste in südlicher Richtung, ungefähr zwei Kilometer von hier sein. Von seinem hohen Aussichtspunkt schaute er über die Sandberge nach Süden. Sie wurden dort flacher, das Meer war zwar nicht zu sehen, aber weit konnte es nicht mehr sein. Zuerst watete er vorsichtig im tiefen Sand bergab. Zum Schluss wurde er übermütig. Er rutschte ein langes Stück auf dem Hosenboden talwärts und landete in kürzester Zeit am Fuß des Sandberges. Jetzt brauchte er nur noch das Dünental entlang in Richtung Süden gehen; das Wasserloch konnte nicht mehr weit sein.
Er ging auf dem harten Sand des Dünentals entlang. Das war fast, als machte man einen Nachmittagsspaziergang auf einer festen Straße. Und so empfand Robert das auch. Ein Spaziergang, nach all der Plackerei ein wenig Schlendrian und Muse. Erdhörnchen hielten sich in sicherem Abstand und verfolgten jede seiner Bewegungen mit ihren schwarzen Knopfaugen. Auf ihren Hinterbeinen und mit hängenden Vorderpfötchen
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