Dunkle Flammen Der Leidenschaft
hatten, damit wir sehen konnten, wenn Vlads Leute auftauchten. Es war auch sicherer hier zu warten, falls unwillkommen Vampire auf der Bildfläche erschienen. Nachdem wir Fleischers Handy gecheckt hatten, wussten wir, dass er sich etwa alle vier Stunden gemeldet hatte, doch was, wenn Szilagyi wollte, dass er diesmal eher anrief, um ihm mitzuteilen, ob er mit mir »Fortschritte« gemacht hatte? Ich wollte mir seine Gebeine vornehmen und sehen, ob ich es herausfinden konnte, und außerdem, ob Maximus und Shrapnel den Kampf überlebt hatten. Erst erklärte mir Marty, dass Burg Poenari als Vlads Sitz erbaut wurde, als er noch Fürst der Walachei gewesen war – und dort hatte sich auch seine Frau umgebracht.
Als wären diese Erinnerungen nicht genug, um ihn von dort fernzuhalten, war die Burgruine auch noch eine Attraktion für Dracula-Touristen. Wie sehr ich Szilagyi auch hasste, musste ich doch seine Cleverness bewundern. Vlads Leute hatten bei ihrer Suche alle Orte ausgelassen, an denen man mit der »Dracula«-Legende hausieren ging, weil sie ihnen genauso zuwider war wie Vlad. Und wer wäre auch auf die Idee gekommen, dass Szilagyi sich seinen Bau ausgerechnet in dem ehemaligen Zuhause des Vampirs graben würde, den er umbringen wollte. Abgedreht war nicht einmal annähernd das richtige Wort.
»Ich werde auf jeden Fall mal nach ›Vlad Dracul‹ googeln, wenn das hier vorbei ist«, verkündete ich. »Wikipedia weiß mehr über seine Vergangenheit als ich.«
Marty schnaubte. »Was du da findest, wird dir nicht gefallen.« Dann machte sich ein müder Ausdruck auf seinem Gesicht breit. »Insbesondere da du mit ihm schläfst.«
Meine Wangen brannten, aber ich sah nicht weg. »Hat Szilagyi dir das gesagt?«
»Nein, meine Nase. Als wir zusammen im Kofferraum waren, konnte ich ihn selbst über das Chloroform hinweg, das Fleischer dir verabreicht hat, an dir riechen. Die anderen haben es auch gewittert. Daher haben sie dir vermutlich auch nicht geglaubt, dass du ihn wirklich hintergehen willst.«
»Das wussten sie vorher schon«, antwortete ich achselzuckend. »Ich habe Szilagyi erzählt, Vlad hätte mich verführt, um mich weiter an sich zu binden.«
»Würde mich nicht im Geringsten überraschen«, murrte Marty.
Ich erstarrte. »Sollte es aber, weil es nicht stimmt. Hör mal, ich kann dir nicht verdenken, dass du Vlad nicht magst. Er hat dich gepfählt und unter Druck gesetzt – beides unverzeihlich. Aber er hat auch eine andere Seite.«
»Klar«, gab Marty trocken zurück. »Die Seite, die Leute verbrennt.«
Ich öffnete den Mund zu einer Erwiderung, hielt aber dann inne. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um meine Beziehung zu Vlad zu verteidigen. Wir würden diese Unterhaltung später fortsetzen müssen.
»Gib mir den Schädel.«
Er reichte ihn mir, ich zog den Handschuh aus und verzog das Gesicht. Tot war Fleischer so eingeschrumpft, dass er aussah wie eine Mumie, doch Teile von Haut und Haaren hingen noch an seinem Schädel, sodass ich es eklig fand, ihn anzufassen. Trotzdem fuhr ich mit der Hand über den Knochen. Wie erwartet ließ Fleischers schlimmste Sünde meine Folterung geradezu unschuldig wirken. Die nächste Erinnerung war sein Tod – immer ein bedeutender Augenblick für den Betreffenden –, und ich spürte ein fieses Gefühl von Befriedigung, als ich sah, wie er sich nochmals vor meinen Augen abspielte. Dann kamen zahllose Eindrücke aus seinem Leben, das in ungeheuerlicher Geschwindigkeit vor mir ablief.
Der Versuch, etwas über das Schicksal von Maximus, Shrapnel und der anderen Wachen zu erfahren und herauszufinden, ob Fleischer sich früher als sonst bei Szilagyi melden sollte, war, als wollte man nach bestimmten Schneeflocken in einer Lawine Ausschau halten, aber ich musste es versuchen. Alles, was ich wissen wollte, war heute passiert. Ich würde bei Fleischers letzter Erinnerung ansetzen und mich, falls möglich, von da an zurückarbeiten. Ich rieb seinen Schädel und versuchte das Bild seines Todes heraufzubeschwören. Es flackerte vor mir auf, bevor es verblasste, ersetzt durch ein unbegreifliches Durcheinander. Ich versuchte es noch mal, konzentrierte mich, und das dunkelblaue Wageninnere löste sich abrupt auf.
Ein gleißend weißer Blitz peitschte durch die Luft, schnitt durch Fleischers Schultern so ungehindert wie ein Schwert durch Wasser … Ich, blutüberströmt, wie ich mich unter der Klinge eines Elfenbeinmessers wand … Martys Schmerz, als die Silbermesser ihm ins
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