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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Wahrheit gesagt habe. Ich war vollkommen clean, als ich mich beworben habe. Ich hatte Glück gehabt; ich hatte es immer geschafft, ernsthaften Ärger mit der Polizei zu vermeiden. Wenn ich irgendwelche Vorstrafen gehabt hätte, wäre ich nicht weit gekommen, das weiß ich. Aber als ich mich beworben habe, haben sie gerade die Einstellungskriterien geändert. Die Tatsache, dass ich so viel über das wusste, was Sie den Abschaum von London nennen, galt als vorteilhaft. Sie dachten, Leute wie ich würden etwas Neues in den Polizeidienst einbringen.«
    Joesburys Miene zeigte, was er von der relativ neuen Aufweichung der Auswahlprozedur für die Londoner Polizei hielt. »Heutzutage nehmen sie wirklich jeden« war ein Refrain, den man auf Polizeirevieren oft zu hören bekam.
    »Ich musste mich während der Ausbildung ständig testen lassen«, fuhr ich fort. »Und ich musste bei Therapeuten vorstellig werden. Die Polizei wollte kein Risiko eingehen. Ich habe keine Drogen angerührt und in all meinen Prüfungen gute Noten gekriegt.«
    »Also haben sie Sie genommen«, sagte Joesbury.
    »Sie haben mich genommen«, bestätigte ich. »Wenn ich jedoch die Wahrheit gesagt hätte, wäre das nie passiert. Wenn Sie melden, was ich Ihnen jetzt erzähle – und ich weiß, dass Sie das tun müssen –, dann bin ich für den Polizeidienst erledigt.«
    Ich hielt inne, gönnte mir einen Moment Zeit.
    »Ich habe keine Familie«, fuhr ich nach einer kurzen Pause fort. »Und wie Sie wahrscheinlich selbst gesehen haben, auch keinen wirklichen Freundeskreis. Mein Beruf ist alles für mich, und ich konnte ihn nicht einfach so drangeben. Können Sie das verstehen?«
    »Betrachten Sie es als verstanden«, antwortete Joesbury. »Aber bisher haben Sie mir eigentlich noch gar nichts erzählt.«
    »Ich bin zu Hause misshandelt worden«, fing ich an. »Die Details brauchen Sie nicht zu wissen. Ich bin zu meinen Großeltern verfrachtet worden, aber die sind nicht mit mir fertig geworden. Also habe ich den größten Teil meiner Kindheit in Heimen und Pflegefamilien verbracht.«
    »Hört sich an wie jemand, den wir kennen«, bemerkte Joesbury.
    »Als ich sechzehn war, habe ich gekifft, habe Kokain genommen, wenn ich welches kriegen konnte, und habe mit allen möglichen komischen Drogencocktails experimentiert. Koks und Meth, das war damals eine beliebte Mischung. Trotz alledem habe ich es aber geschafft, mich in der Schule so weit zusammenzureißen, dass ich einen Studienplatz bekommen habe. Doch auf dem Campus war’s viel zu leicht, an Drogen ranzukommen. Am Ende des ersten Jahres an der Uni wusste ich kaum noch, welcher Tag gerade war. Natürlich bin ich rausgeflogen. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Meine Großeltern waren inzwischen beide tot, und der Staat kümmert sich ab achtzehn nicht mehr um einen.«
    »Sie sind nach London gezogen?«, fragte Joesbury.
    Ich nickte. »Schien mir genauso gut wie alles andere«, sagte ich. »Ich habe eine Gruppe Kids in North London gefunden, die mir gezeigt haben, wo’s langgeht. Wir haben in verlassenen Gebäuden gepennt, bis wir vertrieben worden sind. Dann haben wir uns die nächste Abbruchbude gesucht.«
    »Wo sind die Drogen hergekommen?«, wollte Joesbury wissen.
    Das war der Teil, mit dem ich mich schwertun würde. Ich senkte den Blick auf den Teppich.
    »Sind Sie anschaffen gegangen?«, fragte er mich.
    Ich hielt den Blick gesenkt und nickte. »Da war ein Kerl namens Rich«, sagte ich. »Er war Jamaikaner. Jung, aber ziemlich groß und echt fies. Er war … mein Zuhälter … denke ich. Er hatte noch ein paar andere Mädchen, die auch für ihn gearbeitet haben. Er hat uns irgendwo hingebracht, manchmal in Clubs oder Bars, manchmal auch nur an Straßenecken und in baufällige Gebäude, und hat uns die Freier geschickt.«
    Ich riskierte es aufzublicken. Joesburys Augen schienen jegliche Farbe verloren zu haben.
    »Ich hab nie Geld gesehen«, sagte ich. »Keins von den Mädchen. Wir haben angeschafft, und wir haben den Stoff bekommen. Es gab jeden Tag ein kurzes Zeitfenster, in dem wir halbwegs funktionieren konnten. Rich hat uns abgeholt, uns irgendwo hingebracht, wo wir äußerlich auf Vordermann gebracht worden sind und was zu essen bekommen haben, und dann sind wir los. Bis die Anschafferei vorbei war, waren wir voll auf Entzug. Alles, woran wir denken konnten, war der nächste Schuss und daran, einfach vergessen zu können.«
    Joesburys leeres Glas traf auf die Tischplatte.
    »Manchmal ist Rich auch

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