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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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erreichten und uns entlang der Whitechapel Road nach Osten wandten, machte mich das allmählich wahnsinnig.
    Irgendwann steckten wir in einem Stau, und ich hörte, wie er irgendetwas vor sich hin brummte. Als ich mich zu ihm umdrehte, schaute er aus dem Seitenfenster. Der Verkehr geriet wieder in Bewegung. Ich schaute mich um, als wir weiterfuhren. Es war nichts Besonderes. Nur ein Pub namens Victoria. Sonst nichts.
    Wir überquerten den Kanal und kamen durch den östlichen Eingang des Parks. Fast augenblicklich winkte uns ein Parkwächter anzuhalten. Joesbury zeigte seinen Dienstausweis vor und fragte nach dem Weg zum Bootsschuppen. Der Parkwächter erklärte sich bereit, uns jemanden dorthinzuschicken, und wir fuhren weiter.
    Der Victoria Park war der erste öffentliche Park der Stadt. Er wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnet, nachdem ein Mitglied des Parlaments aus dieser Gegend Queen Victoria eine Petition überreicht hatte. Der Regent’s Canal liegt westlich des Parks, während der Hertford Union Canal sich an seinem Südrand entlangzieht. Die Grove Road verläuft mitten hindurch. In dem größeren Ostteil des Geländes, durch den wir gerade hindurchfuhren, befinden sich die Sportanlagen.
    »Kennen Sie diesen Park?«, wollte Joesbury wissen, als wir vor uns das Gebäude erblickten und langsamer wurden.
    Ich wollte nicht reden. Wenn ich den Mund aufmachte, gab es keine Garantie, was daraus hervorkommen würde. »Ein bisschen«, antwortete ich, und dann, ohne dass mir ein Grund dafür einfallen wollte: »Im April gibt es hier Glockenblumen.«
    »Dann kommen wir wieder und machen ein Picknick. Sind Ihnen die Schuppen vertraut?«
    »Wieso sollten sie?«
    Joesbury zuckte die Schultern. »Sie haben’s doch anscheinend mit Schuppen«, bemerkte er.
    Wir fuhren hinten um den Kinderspielplatz herum und an einem Wildgehege vorbei. Zwei Hirsche, die das Auto aufgescheucht hatte, sausten davon. Dann hielten wir an, und Joesbury sprang aus dem Wagen. Ich folgte ihm.
    Joesbury suchte mit dem Blick die Umgebung ab, als könnte uns jemand beobachten. Der Bootsschuppen war nur ein paar Meter entfernt. Es war ein kleines Gebäude aus gelben Ziegelsteinen, mit roten und grauen Dachschindeln und blau gestrichenem Holzwerk. Keine freien Fenster, nur geschlossene Läden. Ein zweiter Parkwächter tauchte auf, und wir warteten, bis er näher kam.
    »Sagen Sie mir doch noch mal, wo Geraldine Jones umgekommen ist«, sagte Joesbury.
    »Brendon Estate.«
    »Und wie hieß der Wohnblock?«
    »Victoria House, warum … O Gott!«
    »Jetzt ist der Groschen gefallen, wie?«
    »Das Forest-Hill-Schwimmbad«, stammelte ich. »Das ist ein viktorianisches Gebäude.«
    »Viktorianische Schauplätze für einen Mörder mit viktorianischem Vorbild«, stellte Joesbury fest. »Ist ja auf seine Art ganz niedlich.«
    Als der Parkwächter näher kam, fiel mir auf, dass der Ruderteich ein betoniertes, vollkommen symmetrisches Oval war. Das Wasser war flach und schmutzig, wahrscheinlich wurde es im Winter abgelassen.
    »Wann ist der Schuppen zum letzten Mal geöffnet worden?«, fragte Joesbury, nachdem wir unsere Dienstausweise vorgezeigt und erklärt hatten, warum wir hier waren.
    Der Parkwächter warf einen raschen Blick auf die blaue Holztür. »Vor ’ner Woche«, sagte er. »Vielleicht auch vor zehn Tagen. Da lagern wir im Winter die Boote drin.«
    »Können Sie bitte aufschließen?«, bat Joesbury.
    Der Parkwächter wirkte etwas beklommen, widersprach jedoch nicht. Er holte einen Schlüsselbund aus der Jackentasche und ging zu der Tür hinüber. Ich trat an einen Fensterladen und hielt das Gesicht ganz dicht davor. Der Mann, der mich auf dem Revier angerufen hatte, hatte etwas von Gestank und Fliegen gesagt. Ich konnte überhaupt nichts riechen, und weit und breit war kein einziges Insekt zu sehen.
    Neben mir hatte der Parkwächter kein Glück. Ich sah zu, wie er es mit einem letzten Schlüssel versuchte, dann gab er auf und schüttelte den Kopf. Joesbury saugte an seiner Unterlippe, fing meinen Blick auf und ging zurück zum Auto.
    Er öffnete den Kofferraum, und gleich darauf hörte ich Metall scheppern. Mit einer riesigen Zange in den Händen kam er wieder zum Vorschein. An der Schuppentür angekommen, schob er die Zangenbacken in den Bügel des Vorhängeschlosses und zwang sie auf. Das Schloss brach auseinander.
    Jetzt waren jede Menge Insekten in der Luft.
    Als die Tür aufging, traten der Parkwächter und ich zurück, um ihnen auszuweichen.

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