Dunkle Gefährtin
das Band lose genug war, dass Samantha sich daraus befreien konnte. Hinterher musste sie warten, bis ihre schmerzenden Arme und Finger wieder richtig durchblutet wurden.
»Wärst du dann demnächst auch mal so freundlich?«, fragte Merrick.
»Ja, warte, bis ich wieder Gefühl in den Händen habe. So viel Zeit dürfte sein, würde ich sagen.«
»Stimmt.«
Sobald Samantha es geschafft hatte, sich hinzuknien, tastete sie nach Merricks Fesseln.
»Wenn wir hier raus sind«, begann Merrick, während sie an dem Klebeband zerrte, »könnten wir deinen schwerterschwingenden Freund loswerden und ein wildes Wochenende in Vegas verbringen.«
Sie schnaubte verächtlich. »Wohl kaum!«
»Denkst du etwa, die Matriarchin würde nicht mit ihren Untergebenen rummachen? Deine Vorgängerin tat’s zumindest.«
»Tatsächlich?«, fragte sie verwundert.
»Na, und ob! Vor allem als sie noch jünger war. Sie veranstaltete Orgien bei sich und ließ es ziemlich krachen – mit Männern und Frauen; in diesem Punkt war sie nicht wählerisch.«
Samantha zupfte weiter an dem Klebeband. »Mir kam sie so zugeknöpft vor, als ich sie kennengelernt habe.«
»Na ja, mit zunehmendem Alter wurde sie etwas ruhiger, aber bis vor ein paar hundert Jahren trieb sie es reichlich wild. Sie schnappte sich Menschen, Dämonen, Vampire, Gestaltwandler, wobei sie ihre Position nutzte, um sich die Hübschesten zu sichern, und nahm ihre Lebensessenz, als gäb’s kein Morgen.«
»Und trotzdem äußerte sie sich abfällig über Nadia. Kein bisschen Mitgefühl hatte sie mit ihr.«
»Klar nicht, denn die Matriarchin verkaufte ihre Dienste ja auch nicht, weder gegen Geld noch gegen Lebensessenz. Sie war keine Nutte, sondern sie saß brav zu Hause und nutzte ihren gesellschaftlichen Rang aus, um zu kriegen, was sie wollte.«
»Vielleicht wurde sie deshalb umgebracht«, überlegte Samantha laut.
»Kann sein. Oder aber die Mörder wussten, dass du wahrscheinlich die nächste Matriarchin wirst, und wollten dich an der Macht.«
Sie erstarrte. »Warum?«
»Keine Ahnung. Es könnten Leute sein, die dich genauso kontrollieren wollen, wie die Hausdame die letzte Matriarchin kontrolliert hat und es bei ihrer Lieblingskandidatin Ariel fortsetzen wollte.«
»Woher weißt du davon?«
»Das wussten alle, meine Liebe, mit Ausnahme von dir. Übrigens löst sich dieses Klebeband nicht von selbst.«
Samantha, die vor lauter Schreck unterbrochen hatte, zupfte weiter. »Du bist ein Arschloch, Merrick!«
»Ja, aber ein gerissenes. Vergiss das nicht!«
»Was mache ich hier eigentlich?«, murmelte Samantha vor sich hin, während die Fessel langsam nachgab. »Vor ein paar Wochen noch habe ich nichts Weltbewegenderes getan, als Dämonenclubs zu observieren. Und auf einmal jage ich Typen, die Dämonenherzen herausschneiden, und bin die Matriarchin.«
»Und schläfst mit einem Unsterblichen.«
Sie biss die Zähne zusammen. »Das geht dich nichts an.«
»Arme Samantha! Du bist eine gute Polizistin und wirst eine verdammt gute Matriarchin abgeben, aber was den Sex betrifft, bist du total unbedarft. Tain ist nicht der Typ Mann, der mit dir trautes Heim spielt.«
»Du auch nicht.«
Er lachte. »Habe ich auch nie behauptet. Trotzdem kann ich dir ein Wochenende in Vegas bieten, wie du es dir im Leben nicht erträumst.«
»Danke, kein Bedarf!« Nun bekam Samantha das Klebeband weit genug gelockert, dass Merrick seine Hände herausziehen konnte. Er setzte sich auf und rieb seine Handgelenke, während Samantha sich ihren Fußfesseln zuwandte. Die bekam sie recht schnell gelöst.
»Was jetzt?«, fragte sie und versuchte, sich umzusehen. Es war so dunkel, dass sie noch nicht einmal schemenhafte Umrisse ausmachen konnte. Die Luft roch stickig, feucht und war kühler als im September üblich. »Ich glaube, wir sind unter der Erde«, folgerte sie.
»Was für eine Kombinationsgabe, Sam, meine Liebe! Ich weiß, dass wir unter der Erde sind, aber von irgendwo muss Luft eindringen, sonst wären wir inzwischen tot oder wenigstens sehr schläfrig.«
Ein bisschen wackelig stand Samantha auf und bereute es sofort. Japsend hielt sie sich den Bauch, bis ihr Kopf aufhörte, sich zu drehen.
»Ich war verflucht leicht zu entführen.« Was sie ziemlich wütend auf sich selbst machte. »Sie haben mich einfach hinausgetragen, ohne dass ich mich gewehrt habe!«
»Ich habe mich gewehrt«, erzählte Merrick, »bis sie mir irgendein Beruhigungsmittel gespritzt haben.«
»Wer?«
»Keine Ahnung.
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