Dunkle Gefährtin
er sich auf dem Weg nach unten eingenässt hat.«
»Das hätte ich auch, wenn du mit mir aus einem Fenster gesprungen wärst. Ich bekam schon beim Zuschauen fast eine Herzattacke!« Ihre Augen glänzten feucht, wahrscheinlich vom Rauch. Sie blinzelte, dann starrte sie ihn entsetzt an. »Tain, dein Haar!«
Tain griff nach oben und hatte ein paar verkohlte trockene Klumpen in der Hand. »Egal, ich schneide es ab.«
»Ich mag dein Haar.« Es klang richtig wehmütig, als wäre sein verbranntes Haar das Schlimmste, was es an diesem Morgen zu beklagen gab.
Er hielt ihr die schwarzen Büschel hin. »Du kannst es haben, wenn es dir so gut gefällt.«
Sie presste sich eine Hand vor den Mund, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »Du bist ein solcher Mistkerl! Ich weiß ja, dass dir nichts passieren kann, aber …«
»Mir kann sehr wohl etwas passieren. Ich erhole mich zwar, doch das braucht Zeit.«
Wieder berührte die kühle Hand seinen Unterarm. »Ich hasse es, dich leiden zu sehen.«
Tain blickte in Samanthas dunkle Augen, die ihn regelrecht einzusaugen schienen. Seit sie aus dem Taxi gestiegen war, in dem sie vor einigen Tagen aus Pasadena zurückgekehrt waren, hatte er sie nicht mehr gesehen. Am liebsten wäre er mit in ihre Wohnung gegangen und geblieben, doch sobald sie sicher drinnen gewesen war, hatte er sich gezwungen wegzugehen.
Nachts, wenn er im Bett lag und an die Decke starrte, wo die Lichter der Stadt tanzten, hatte er häufiger den Wunsch verspürt, sie anzurufen. Er wollte, dass sie bei ihm war, ihr Kopf sich an seine Schulter schmiegte und seine Finger durch ihr seidiges Haar strichen, während die laute Musik seines Nachbarn durch die Wand dröhnte.
Seine Sehnsucht nach ihr nahm verzweifelte Ausmaße an, und sie machte ihm Angst. Er fürchtete sich vor dem, was er für sie empfand, denn ihm behagten die Empfindungen nicht, die ihn seit jenem Moment durchströmten, in dem er Samantha erstmals in Seattle gesehen hatte. Noch viel weniger wollte er, dass zerstört wurde, was in ihm zu wachsen begann.
Er entsann sich, wie ihre Stimme in jener Nacht der letzten Schlacht durch den Alptraum in seinem Kopf zu ihm durchgedrungen
war.
Ich ziehe es vor, nicht stillschweigend abzutreten
, hatte sie gesagt, als er von ihr verlangte aufzugeben. Und dann hatte sie ihn von oben bis unten gemustert und ihm gesagt, er müsste einmal ziemlich gut ausgesehen haben.
Zum ersten Mal seit Jahrhunderten war wieder ein winziger Funken Interesse in seiner dunklen, gequälten Welt aufgetaucht. Ausgerechnet eine Halbdämonin hatte letztlich seine Fesseln durchtrennt.
Tain berührte ihren Mundwinkel und wischte einen kleinen Rußflecken ab. »Wir müssen mit Merrick reden.«
Sie schluckte angestrengt, nickte dann und wandte den Blick von ihm ab.
Gemeinsam gingen sie zum Krankenwagen hinüber, wo Merrick auf einer Trage lag. Eine Sauerstoffmaske bedeckte ihm Mund und Nase. Auch sein Haar war verbrannt, so dass sein Schädel halb kahl war – und er äußerst missmutig wirkte.
»Hi, Merrick. Wie gut, dass du es überlebt hast!«, begrüßte Samantha ihn betont munter.
Der Dämon murmelte etwas Unverständliches in seine Maske.
»Schon eine Idee, was passiert ist?«, fragte sie.
Merrick bejahte stumm. Die Sanitäter hatten ihm die Brandwunden an den Händen verbunden, so dass es ihm nicht gelang, in seine Jackentasche zu greifen. »In der Tasche«, erklang seine Stimme gedämpft aus der Maske.
Samantha zog sich ein Paar Gummihandschuhe über und fasste in die Jackentasche von Merricks ruiniertem Seidenanzug, aus der sie ein Stück Papier hervorholte und auseinanderfaltete.
Tain sah über ihre Schulter und las mit. Es waren wieder ausgeschnittene Zeitungslettern, nur lautete die Botschaft diesmal: DEIN UNTERGANG IST DA .
Merrick schob die Maske nach oben. »Das kam heute Morgen per Post. Ich wusste nicht, was es heißen sollte, aber inzwischen habe ich eine ungefähre Vorstellung.«
Samantha faltete das Blatt zusammen und steckte es in einen Plastikbeutel, um es den Forensikern zu geben. »Ich lasse es von der Spurensicherung untersuchen. Vielleicht finden sie etwas, auch wenn ich mir wenig Hoffnung mache. Weißt du, wie das Feuer angefangen hat?«
»Irgendeine Explosion, ich glaube in dem Zimmer unter meinem Schlafzimmer. Das Feuer hat sich schnell ausgebreitet. Ich wusste gar nicht, dass Feuer so rasant um sich greifen kann.«
»Kann es. Vor allem, wenn man mit ein bisschen Benzin oder Magie nachhilft –
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