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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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dass er es gar nicht so schlecht hatte, aber es ist eben alles relativ.
    Der Junge im Garten wurde von Terry »Booger« gerufen – Popel. Und nicht nur von Terry, sondern auch von so ziemlich jedem anderen, einschließlich seinem Daddy und seiner Stiefmutter. Wahrscheinlich würde ihn das noch verfolgen, wenn er erwachsen war, wie bei einem meiner Vettern, der »Poot« genannt wurde – Furz. Immerhin noch besser als »Turd« – Kackwurst –, vor allem, wenn was Wahres dran war.
    »Ist Terry da?«, fragte ich Booger.
    Booger musterte mich, als überlegte er, ob ich gut schmecken würde. »Er ist hinterm Haus mit ’nem Nigger.«
    Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Terry hatte erzählt, dass sein neuer Vater zu den Leuten gehörte, die es immer noch ärgerte, dass sie einem Farbigen für ein paar Stunden Arbeit einen Nickelbezahlen mussten – offenbar war er der Meinung, dass ihr Platz dort war, wo er auch seine Maultiere kaufte.
    »Danke«, sagte ich.
    »Wusstest du, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Dödels haben?«, fragte Booger.
    »Jau«, erwiderte ich.
    Ich ging nach hinten. In der Nähe des Zauns stapelte sich ein Haufen Holz, und neben dem Holz stand Terry. Direkt davor stand, eine Axt in der Hand, ein großer Farbiger. Er spaltete Holzscheite auf einem Hackklotz in zwei Teile, und das mit einer Leichtigkeit, mit der Fische im Wasser rumschwimmen. Ich schaute ihm eine Weile dabei zu, so beeindruckt war ich. Er hatte das Hemd ausgezogen und war ganz schön muskulös, und seine Haut hatte die Farbe von Lakritze. In letzter Zeit war mir an Männern eine Menge aufgefallen, egal ob weiß oder schwarz, und manches davon machte mich ängstlich und nervös.
    Terry hatte ebenfalls kein Hemd an, und auch das fiel mir sofort auf. Er war nicht so muskulös wie der Farbige, aber er sah ziemlich gut aus, und ich weiß noch, wie schade ich es in dem Moment fand, dass er eine Schwuchtel war.
    Terry schnappte sich die beiden Hälften und warf sie auf eine Schubkarre. Er tat das sehr schnell und sehr geschickt, um ja nicht der herabsausenden Axt in die Quere zu kommen. Schließlich schaute er sich um, sah mich und nickte. Ich wusste, dass er erst noch seine Arbeit fertig machen musste, also setzte ich mich auf die Treppe unterhalb der Veranda. Da hörte ich, wie hinter mir die Tür aufging, und Terrys Mama kam heraus. Sie war eine gutaussehende Frau mit kurzem, dunklen Haar und einer Dauerwelle. Sie setzte sich neben mich auf die Treppe und sagte: »Sue Ellen, wie geht es dir?«
    »Mir geht’s gut, Ma’am.«
    Ich schaute sie nicht direkt an, weil ich Angst hatte, sie könntemir mein schlechtes Gewissen ansehen, schließlich schlossen meine Fluchtpläne auch ihren Sohn ein.
    »Ich hab dich lang nicht mehr gesehen«, sagte sie.
    »Ja, Ma’am.«
    Jetzt musste ich sie doch anschauen. Das gehörte sich einfach. Ich setzte meine unbedarfteste Miene auf und wandte mich ihr zu. Dabei entging mir nicht, dass sie ein wenig mitgenommener aussah als früher; noch immer hübsch, aber irgendwas fehlte ihr, und ich hatte den Eindruck, dass sie, wenn ich sie anfasste, in Stücke gehen würde wie eine Vase, die schlecht zusammengeklebt worden war. Trotzdem, verglichen mit meiner Mama wirkte sie so unerschütterlich wie ein Berg.
    Terry zufolge war es sein Stiefvater, der ihr zusetzte. Offenbar war er zwar wohlhabend, hatte aber den Charakter eines ekligen Putzlumpens. Einmal hatte mir Terry erzählt: »Er ist nicht wegen seines Charmes reich geworden. Er hat auf einem Stück Land, das er gekauft hat, Öl gefunden, und dann hat er eine Ziegelei gebaut, in der fast alle Männer der Gegend arbeiteten. Seither braucht er seinen Charme nicht mehr. Hauptsache er hat seine Brieftasche dabei.«
    »Was meinst du, wie geht es Terry?«, fragte sie mich.
    »Ma’am?«
    »Meinst du, ihm geht es gut?«
    »Ja, Ma’am. Ich denke schon.«
    »Ich glaube, dass die neuen Verhältnisse ihm nicht gefallen.«
    Ebenso gut hätte sie sagen können, dass es keine gute Idee war, eines der Kinder zu verkaufen, um sich ein Schwein anschaffen zu können. Aber da ich an Verhältnisse dachte, die noch neuer sein würden, wusste ich nicht, was ich antworten sollte, außer: »Kann schon sein.«
    Nach einiger Zeit hörte der Farbige mit der Plackerei auf, nahm sein Hemd von dem Holzstoß, wischte sich Gesicht und Brust damitab und zog es an. Terry schob den Schubkarren zur Veranda und fing an, das Holz darunter zu stapeln.
    Der Farbige kam zu uns rüber, wobei

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