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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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ich das nicht antun. Er hatte etwas Besseres verdient.«
    »Hast du gedacht, du bist nicht gut genug für so’n feinen Kerl?«
    »So einen«, sagte sie. »Es heißt ›so einen‹. Drück dich bitte ordentlich aus.«
    »Du schläfst hier oben und läufst halbbetäubt herum, aber mein Englisch kannst du noch verbessern?«
    »Brian war ein guter Mann, und ich hätte ihn ruiniert.«
    »Und was ist mit mir?«
    »Ich war jung. Ich konnte nicht klar denken.«
    »Das ist deine Ausrede? Du warst jung?«
    »Ich wollte, dass du ein Zuhause hast. Don hat gesagt, es wäre ihm egal, von wem das Kind ist. Er wollte nur mich. Ich dachte, er meint es ehrlich, und alles wird gut, und wenigstens verliert Brian nicht das Gesicht. Am Tag nach der Hochzeit hat sich Don dann betrunken und mir ein blaues Auge verpasst. Da wusste ich, wie er wirklich war. Aber ich saß in der Klemme. Er hatte, was er wollte, und für mich wurde das Leben zur Hölle. Das geht jetzt schon sechzehn Jahre so. Manchmal ist er so wie der Mann, den ich damals kennengelernt habe, aber die meiste Zeit ist er so, wie ich ihn jetzt kenne.«
    »Und du sitzt hier in der Scheiße und rührst keinen Finger.«
    »Ich glaube, dass Don sein Bestes getan hat«, sagte sie. »Auf seine Art und Weise liebt er mich wahrscheinlich sogar.«
    »Eins weiß ich, Mama – Jinx muss nachts nicht mit einem Holzscheit ins Bett gehen.«
    »Ich bin wegen dir geblieben.«
    »Nein, bist du nicht.« Ich beugte mich auf meinem Stuhl weit vor. »Wenn ich dir was bedeuten würde, wären wir schon lange von hier abgehauen. Du bist hiergeblieben, weil du zu schwach bist, um irgendwas andres zu tun. Du warst schon schwach, bevor du angefangen hast, dieses Zeug zu nehmen. Schwach und froh darüber, dass du schwach bist. Schließlich schlägt er dich nicht mehr so oft wie früher, und wenn doch, dann nicht mehr so schlimm. Er hat dich in der Hand, und wenn er dich braucht, dann muss er nur die Finger öffnen. Das ist nicht recht, Mama. Du hast es mir überlassen, mit ihm fertig zu werden, während du irgendwo auf einer Wolke geschwebt hast. Nicht das Allheilmittel ist schuld, Mama. Du bist es.«
    Ich konnte sehen, dass meine Worte sie trafen wie ein Faustschlag, und das freute mich.
    »Du hast recht«, sagte sie. »Ich bin eine Versagerin. Ich habe den Mann verlassen, den ich liebte. Ich habe einen Versager geheiratet und dich im Stich gelassen, aber ich wollte das nicht.«
    »Dann ist ja alles gut.«
    »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Irgendjemand wollte das aber«, erwiderte ich. »Damals, als du schwanger warst und weggerannt bist, hast du noch kein Allheilmittel getrunken. Weißt du was? Ich geb dir einen dicken Holzscheit, und das kannst du dir nebens Bett legen. Wenn du mal nicht völlig berauscht bist von dem Zeug, also vielleicht eine Viertelstunde am Tag, dann kannst du ihm damit eins überziehen. Die übrige Zeit kannst du auf deiner Wolke schweben, und er kann tun und lassen, was er will, und du kannst so tun, als wüsstest du von nix. Aber mir machst du nix vor, und ich sag so oft ›nix‹, wie ich will. Nix.«
    Ich stand auf, nahm mein Holzscheit, zögerte kurz und legte es dann auf den Stuhl neben das Bett.
    »Hier hast du den Prügel«, sagte ich. »Oder soll ich ihn dir aufs Bett legen?«
    »Schatz, nicht wütend sein.«
    Ich war ans Fußende des Bettes getreten und wandte mich jetzt zur Tür um. »Wenn ich noch wütender wäre, würde das Haus in Flammen stehen.«
    Ich ging raus und schlug die Tür hinter mir zu, ging in mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu, verriegelte sie und weinte eine Weile. Aber das hatte ich bald über, schließlich half es nichts. Ich beschloss, dass ich so wütend war, dass ich Schuhe anziehen wollte. Also suchte ich mir ein Paar Socken mit nur jeweils einem Loch, streifte sie über, zog meine Schuhe an und ging nach unten und raus ins Freie, wo ich den Fluss entlanglief.

7
    Inzwischen stand die Sonne ziemlich hoch am Himmel, und die Luft war heiß und so klebrig wie Sirup. In dem Moment wusste ich nicht, wohin ich wollte, aber ich lief jedenfalls ziemlich schnell und schwitzte ordentlich dabei.
    Nach einiger Zeit kam ich an die Stelle, wo wir May Lynn gefunden hatten. Ich weiß nicht, ob ich absichtlich da hingegangen oder nur zufällig dort gelandet bin, aber da war ich nun.
    Ich stapfte dicht am Ufer entlang und stieß schließlich auf die Singer-Nähmaschine, die immer noch dort lag. Ich bückte mich und schaute sie mir genauer an. Wo der

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