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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Seil durchzuhauen, mit dem wir an dem Baum festgebunden waren. Als es sich löste, drehte sich das Floß ein wenig in der Strömung, richtete sich dann wieder aus und bewegte sich langsam flussabwärts.
    Ich schaute zu dem Boot rüber, das wir zurückgelassen hatten. Es neigte sich bereits nach hinten, aber vor allem lag es tief ihm Wasser. Vor meinen Augen sank es noch tiefer, und ich war sicher, dass es bald untergehen würde. Aber das bekam ich nicht mehr zu sehen, denn das Floß kippelte ein wenig, wo der Fluss einen Bogen um eine Sandbank machte, und wir mussten mit unserenStangen nachhelfen, um es durch die Untiefen zu lenken. Dann trug uns der Fluss von der Sandbank fort, und das sinkende Boot verschwand hinter einer Biegung.

TEIL ZWEI
Das Königreich der Schlange

12
    Die Nacht war so hell, dass wir genauso gut sehen konnten wie tagsüber. Unter dem Wasser zeichneten sich die Sandbänke ab, und wir stakten um sie herum. Das Mondlicht schien zwischen den Bäumen hindurch und legte sich auf ihre Kronen wie ein verschwommener Heiligenschein. Matt glänzende Schattenstreifen schimmerten wie Jalousien auf dem Fluss. Selbst die knorrigen Köpfe der Schildkröten, die aus dem Wasser ragten, waren leicht zu erkennen.
    Nachdem wir ein ganzes Stück zurückgelegt hatten, wurde der Fluss gerade und breit, und wir sahen einen Hirsch hindurchschwimmen, der ein so großes Geweih auf dem Kopf trug, dass ein reicher Mann daran glatt seinen Wintermantel hätte aufhängen können und ein paar Hüte dazu.
    Während wir anderen stakten, saß Mama in der Mitte des Floßes, die Beine angezogen und die Arme drumrum geschlungen. Der Karton mit May Lynn stand ganz in ihrer Nähe, und sie hatte sich ihm zugewandt und starrte ihn an. Wahrscheinlich wusste sie, worum es sich handelte, auch wenn wir sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, dass das May Lynns letzte Ruhestätte war.
    Sie machte sich nicht die Mühe, uns zu helfen, und das erwarteten wir auch nicht. Teufel auch, wir hatten ja nicht mal vorgehabt, sie mitzunehmen, wo sollten also die Erwartungen herkommen?Außerdem mussten wir sie nur anschauen, um zu wissen, dass sie schwach und krank war und ein ausgelassenes Kätzchen sie zu Boden gerungen hätte. Ich befürchtete, dass schon ein paar heftige Worte sie umhauen könnten.
    Ich hab keine Ahnung, wie lange wir so den Fluss entlangstakten, aber wir schienen gut voranzukommen, und Terry sagte, bis Gladewater würden wir fünf bis sieben Tage brauchen, je nachdem, wie es lief und wie sehr wir uns anstrengten.
    Nach einiger Zeit bekam ich Hunger, und außerdem war ich wegen dem, was den ganzen Tag passiert war, ordentlich müde. Aber ich wollte nicht die Erste sein, die um eine Pause bat, und das musste ich auch nicht. Wir kamen an eine Stelle, wo der Fluss ziemlich schmal war, und Terry sagte: »Schaut mal, da drüben.«
    Er deutete auf eine kleine Bucht am Ufer, die man nur von hier aus sehen konnte; von weiter vorne waren nur große, überhängende Zypressen zu erkennen gewesen und ein paar Trauerweiden, und wenn Terry nicht aufgepasst hätte, wären wir glatt dran vorbeigerauscht. Die Bucht lag außerhalb der Strömung, wirkte aber nicht abgestanden oder bemoost. Sie war ziemlich groß – unser Floß hatte darin ungefähr zweimal Platz. Das Wasser floss rein, machte eine Kehrtwendung und floss wieder raus, weshalb es dort sauber und frisch war. Außerdem war das Wasser ziemlich dunkel, also war es auch tief.
    »Dort rüber«, sagte Terry.
    Ich und Jinx stakten in die angegebene Richtung. Es war nicht leicht, in der starken Strömung zu drehen, aber wir gaben uns alle Mühe, glitten schließlich in die kleine Bucht und stießen gegen das Ufer.
    Ich rammte meine Stange in die Böschung, damit wir nicht zurücktrieben, und Terry nahm Hammer und Nägel aus seiner Tasche. Er trieb ein paar lange Nägel vorne ins Floß, holte dann ein Seil hervor, wickelte es auf, band es um die Nägel und klopftediese über dem Seil ein wenig krumm. Dann schlang er das andere Ende des Seils um die Wurzeln einer Zypresse, die ziemlich groß waren; sie ragten etwa drei Meter weit aus der Erde und ringelten sich wie fette Schlangen ins Wasser.
    »Weit sind wir ja nicht gekommen«, sagte ich.
    »Ich glaube, wir haben einen ziemlichen Vorsprung«, erwiderte Terry. »Außerdem wissen die ja gar nicht, wohin wir abgehauen sind. Vielleicht denken sie, dass wir mit dem Boot unterwegs sind, weil wir das von deinem Daddy gestohlen haben.

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