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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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hatte eine Menge Blut verloren, und das zusammen mit unserem grausigen Abenteuer hatte ihn umgehauen.
    Mir selbst ging’s auch nicht eben toll. Ich stellte den Kübel ab, und Mama und Jinx und ich zerrten Terry in die Hütte rein. Da drin war’s ziemlich eng, also blieben wir draußen und schoben ihn nur neben den Reverend, der, wie ich sah, noch immer reglos auf dem Rücken lag.
    »Ist er tot?«, fragte ich.
    »Nein«, erwiderte Mama. »Er ist da, wo die Toten hingehen, bevor sie ihren Körper verlassen.«
    Mama kroch in die Hütte und holte aus einem Beutel ein paar Lumpen, um Terry den Finger zu verbinden. Terry war wieder wach, aber munter war er nicht.
    Ich holte die Kübel und stellte sie in die Hütte, hinter den Reverend. Mama war noch immer mit Terry beschäftigt. Sie blickte hoch und sagte: »Da sind May Lynn und das Geld drin, oder?«
    »Jau«, sagte ich, »und bisher haben wir auch noch nichts durcheinandergebracht.«
    Ich kroch wieder raus, und dann banden ich und Jinx das Floß von der Wurzel los. Jinx war so schlau gewesen, die Stangen mit Zwirn am Floß festzubinden, und jetzt schnitten wir sie los und stießen uns vom Ufer ab.
    Es regnete noch immer, aber nicht mehr so stark. Auch dieStrömung des Flusses hatte nachgelassen. Jinx übernahm wieder das Ruder, und ich lief auf dem Floß hin und her und stakte so lange, bis ich mit der Stange nicht mehr zum Grund runter kam. Wir konnten kaum erkennen, was vor uns lag, aber wir kamen gut voran, und schließlich wurde es langsam hell. Der erste rosafarbene Glanz schimmerte durch die Bäume, und dann wurde ein hellroter, warmer Apfel immer größer, bis er über dem Horizont stand.
    Es tat gut, das Licht zu sehen, denn dann kommt einem alles besser vor, selbst wenn es das nicht ist. Aber wie Jinx einmal zu mir gesagt hat: »Wenn’s nicht dunkel ist, dann sieht man wenigstens, wer sich an einen ranschleicht.«
    Der Himmel war vielleicht heller geworden, aber auf dem Wasser war es noch immer stockdunkel, und der Fluss war voller Äste und Blätter. Eine tote Beutelratte trieb an uns vorbei und dann eine Schlange, die in dem Gewitter irgendwie das Zeitliche gesegnet hatte. Es roch durchdringend nach Erde. Irgendwann stand die Sonne hoch genug, sodass das Wasser nicht mehr wie Kaffee, sondern eher wie Milch mit Schokolade drin aussah. Vögel fingen an zu zwitschern und flogen von den Bäumen auf. Es wurde wärmer, und meine feuchten Kleider trockneten allmählich.
    Ich löste Jinx am Ruder ab, und sie setzte sich nach vorn, falls sie mit einer Stange oder einem Paddel helfen musste, das Floß zu lenken. Mama kam mit ihrer Tasche aus der Hütte und holte etwas getrocknetes Fleisch raus, von dem wir nichts gewusst hatten. Sie gab uns beiden davon. Das Fleisch war feucht, wo der Beutel nass geworden war, aber es schmeckte trotzdem klasse. Allerdings hatten wir kein frisches Wasser, dabei hätte ich mich, um welches zu kriegen, mit einem Bären angelegt.
    Schließlich kam Terry aus der Hütte gekrochen, setzte sich zu uns und aß auch etwas getrocknetes Fleisch.
    »Alles okay?«, fragte ich.
    »Geht so«, erwiderte er und hob die verbundene Hand.
    »Regt sich der Reverend?«, wollte ich wissen.
    »Einmal hat er gefurzt, aber ansonsten ist er so still wie ein Grab.«
    »Ich fürchte, er wird’s nicht überleben«, sagte Mama.
    »Er hat auch nix Schlimmeres durchgemacht als wir«, sagte Jinx.
    Ich wusste natürlich, was der Reverend schon alles hinter sich hatte, und was seither passiert war, hatte auch nicht eben zu seinem Wohlbefinden beigetragen. Es war einfach zu viel für ihn. Als hätte jemand haufenweise Backsteine auf ihn draufgestapelt, und unter dem letzten war er zusammengebrochen. Ich behielt das aber für mich, denn niemand wusste, dass ich das mit angehört hatte, und jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, es zur Sprache zu bringen.
    Der Fluss strömte noch immer gut voran. Langsam fühlte ich mich auch wieder optimistischer, und ich fing an zu glauben, dass alles gutgehen würde: dass wir Skunk los wären und bald irgendwo sein würden, wohin er uns nicht folgen konnte.
    Ich dachte an das Geld und was ich damit tun konnte. Auch an May Lynns Asche dachte ich, allerdings war ich noch ziemlich wütend auf sie, weil ich wegen dem Kübel fast ertrunken wäre, und irgendwie war ich auch eifersüchtig auf sie, sogar tot.
    Jetzt wurde der Fluss schmaler, und ich hörte ein fernes Grollen. Es war so laut, dass ich dachte, es würde wieder donnern und

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