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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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er mausetot. Selbst wenn ich ihm den Arm abnehm, stehn seine Chancen nicht gut. Ihm geht’s wirklich dreckig.«
    Wir saßen sprachlos da und versuchten zu verarbeiten, was sie alles gesagt hatte.
    Die alte Frau klopfte auf eine Holzkiste. »Hier drin sind chirurgische Instrumente«, sagte sie. »Mein Vater war Wundarzt im Bürgerkrieg, und danach hatte er drüben in Texas in einem Kaff namens Mason eine Arztpraxis. Als ich zwölf war, hab ich angefangen, ihm zu helfen. Ich weiß, wie man so was macht. Ich hab das ein paar Mal mit ihm zusammen getan und ein paar Mal allein, als er älter war und krank. Da hat er schon gesoffen. Keiner wusste davon, denn die Patienten haben Äther gekriegt. Aber ich hab das Daddy genau abgeschaut. Das muss ganz schnell gehen – ich muss ihm erst die Haut auftrennen und dann den Knochen durchsägen.Damit bin ich fertig, bevor ihr euch den Arsch abgewischt habt.«
    »Das können Sie ihm nicht antun«, sagte Jinx mit Tränen in den Augen. »Er ist zu hübsch, um einen Arm zu verlieren.«
    »Das mit dem Hübschsein hält sowieso nicht ewig«, sagte die Alte. »Und wenn er tot ist, kümmert das keinen mehr.«
    »Ich sollte mir ein Holzscheit schnappen und Ihnen den Schädel einschlagen«, sagte Jinx.
    »Versuchen kannst du das. Aber wenn ich ihn operiere, hat er wenigstens eine Chance. Mit eingeschlagenem Schädel krieg ich das nicht hin. Und diese Pistole hier und meine Hand kennen sich gut. Sie hat meinem Daddy gehört, und er hat einen Haufen Yankees damit getötet. Er hat sie so umgebaut, dass jetzt sechs Kugeln reinpassen. Ich bin ein guter Schütze und hab damit eine Menge Wild erlegt und ein Maultier erschossen. Und als ich so jung und hübsch war wie deine Mama, hab ich damit einen Verehrer abgeknallt, der seine Finger nicht von mir lassen wollte. Mein Daddy und meine Brüder haben die Leiche an einem Baum aufgeknüpft, sind mit den Pferden an ihr vorbeigeritten und haben so lange mit Knüppeln auf sie eingehauen, bis sie nicht mehr von einem Kotelett zu unterscheiden war. Also legt euch nicht mit mir an.«
    »Warum wollen Sie uns helfen?«, fragte ich.
    »Das weiß ich auch nicht so genau«, erwiderte sie.
    »Terry geht es wirklich schlecht«, sagte Mama. »Wir müssen unbedingt was tun.«
    »Du meinst, wir sollten ihm den Arm abschneiden?«, sagte ich.
    Die alte Frau ließ Mama gar nicht erst zu Wort kommen. »Wenn nicht, hab ich hinten unterm Haus ein paar Schaufeln liegen. Mit denen könnt ihr dann schon mal ein Grab ausheben.«
    Ich sah Terry lange an. Er schien kaum noch zu atmen.
    »Bitte, operieren Sie ihn«, sagte Mama.
    »Häh?«, rief ich. »Wieso entscheidest du das?«
    »Irgendeiner muss ja.«
    »Das ist doch nur eine gemeine alte Frau, die was abschneiden will, egal was oder bei wem«, sagte Jinx. »Da haben Sie kein Mitspracherecht. Er ist unser Freund, nicht Ihrer.«
    »Ich kann’s tun, aber ich kann’s auch bleiben lassen«, sagte die Alte.
    »Können wir ihn uns noch mal genauer anschauen?«, fragte Jinx.
    Die alte Frau nahm die Pistole und rutschte auf dem Hintern ein Stück weg. »Glotzt, so viel ihr wollt, aber wenn ihr mir zu nahe kommt, drück ich ab.«
    Jinx trat als Erste zu Terry, und ich folgte ihr. Sie beugte sich mit geschlossenen Augen zu ihm runter und sagte: »Terry.«
    Er antwortete nicht. Seine Pupillen waren nach oben gerollt, und seine Augen waren so weiß wie frische Hühnereier.
    Jinx strich ihm über die Stirn. »Er ist furchtbar heiß, Sue Ellen.«
    Ich berührte ihn ebenfalls und konnte ihr nur zustimmen. »Als würde ein Buschfeuer in ihm brennen.«
    Wir betrachteten eingehend seinen Arm. Inzwischen war er fast vollständig schwarz und zur Größe einer Schweinshaxe angeschwollen. Von der schwarzen Haut führten rote Streifen nach oben weg, und das Fleisch schälte sich ab. Es roch faulig. In dem Eiter, der rauslief, hatten Maden Eier gelegt.
    »Ich glaub, uns bleibt nix anderes übrig«, sagte ich und sah Jinx an.
    »Ich will das nicht entscheiden müssen«, erwiderte sie.
    »Gibt es hier in der Nähe keinen Arzt?«, fragte ich die alte Frau.
    »Ihr könntet ihn mit dem Boot irgendwohin bringen, aber dann müsste ich euch gehen lassen, und das werd ich nicht. Ich brauch euch. Ich bin alt und hab sonst niemand.«
    »Sie müssen Ihre Freunde wohl mit der Pistole am Weglaufen hindern, was?«, sagte Jinx.
    »Gut möglich. Aber damit kann ich leben.«
    Ich warf Mama einen fragenden Blick zu. Im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, mit mir

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