Dunkle Gier: Roman (German Edition)
sie aufgewachsen war, wussten, dass sie ebenso gut reiten und schießen konnte wie sie, wenn nicht sogar besser. Esteban dagegen gab ihr das Gefühl, sehr feminin zu sein, und behandelte sie wie eine zerbrechliche Frau, ohne den Umstand in Betracht zu ziehen, dass sie ausgesprochen tüchtig war. Im Moment konnte sie an nichts anderes als an einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf die Ranch denken, einen Angriff durch den schlimmsten und bösartigsten Feind, den man sich vorstellen konnte. Sie wollte Esteban nicht in der Nähe der Hazienda haben.
»So haben sich eure Pferde noch nie verhalten«, bemerkte er. »War heute Morgen ein Jaguar in der Nähe?«
Bei der Besorgnis, die sie in seiner Stimme hörte, wurde ihr trotz der Situation ganz warm ums Herz. Er glaubte, sie habe ihre Stimmbänder verloren, weil ein Jaguar ihr die Kehle aufgerissen hatte, und ihr Vater sei gestorben, als er ihr das Leben gerettet hatte. In Wahrheit war es der Angriff eines Vampirs gewesen, der Zacarias’ Ruhestätte gesucht hatte. Wieder zuckte sie die Schultern, weil sie Esteban nicht belügen wollte. Eine Lüge aufzuschreiben kam ihr irgendwie noch schlimmer vor, als sie auszusprechen.
»Lea lässt dich grüßen. Sie hofft, dich bald zu sehen.«
Marguarita schenkte ihm ein Lächeln, bevor sie die Boxentür öffnete und zu der hochträchtigen Stute ging. Sie legte ihr eine Hand auf den verkrampften Nacken und sandte dem Tier beruhigende Schwingungen zu, bis es sich entspannte. Esteban sagte nichts; er beobachtete nur, wie sie von Box zu Box ging und die Pferde beruhigte. Seine Gegenwart machte sie langsam nervös, und sie verspürte ein äußerst ungutes Gefühl im Magen. Es kostete sie große Mühe, die Nervosität nicht auf die Tiere zu übertragen.
Esteban stand still vor den Boxen, die sie betrat, und folgte jeder ihrer Bewegungen mit wachsamen Blicken, und Marguaritas Unbehagen nahm zu, bis ihre Haut kribbelte, als bohrten sich tausend Nadeln in sie. Sie rieb sich die Arme und trat aus der letzten Box hinaus. Die Pferde fraßen jetzt friedlich, sodass ihre Arbeit für den Moment erledigt war. Nach einem tiefen Atemzug drehte sie sich zu Esteban um und rang sich ein Lächeln für ihn ab.
Er nahm ihre Hand und zog Marguarita an sich. Komischerweise wurde das Kribbeln auf ihrer Haut zu einem Brennen unter seinen Fingern. Sie entzog ihm die Finger und rieb mit beiden Händen über ihre Hose, um die seltsame Empfindung loszuwerden.
»Es erstaunt mich immer wieder, wie gut du mit Pferden umgehen kannst. Sie vertrauen dir.« Normalerweise freute sie sich über Komplimente, aber im Moment, mit dem Herrn des Hauses in der Nähe, wollte sie nur, dass Esteban ging. Noch nie hatte sie ein solch quälendes Unbehagen verspürt. Ihr brach der Schweiß aus, und sie konnte die zunehmende Feuchte zwischen ihren Brüsten spüren. Das Brennen an ihrer Hand ließ nach, hörte aber nicht ganz auf. Nervös befeuchtete sie die Lippen und nahm wieder Stift und Block zur Hand.
Ich hatte schon immer eine Affinität zu Tieren. Und, ja, ich werde in ein paar Tagen kommen, um mir die Pf erde anzusehen. Aber warum willst du sie kaufen? Bisher warst du doch nie an Pferden interessiert.
Sie würde jedenfalls keinen ihrer geliebten peruanischen Pasos Esteban zum Kauf anbieten wollen. Er hatte sie bisher noch nicht einmal gestreichelt.
Sein Lächeln war sehr breit und offenbarte perfekte Zähne. »Ich habe meine Leidenschaft für das Polospiel entdeckt. Bisher hatte ich mir von einem Freund ein Pferd geliehen, doch jetzt will ich mein eigenes haben.«
Er klang aufgeregt wie ein kleiner Junge. Sie wollte sich für ihn freuen und seine Aufregung teilen, aber sie wusste, dass ihm im Grunde nichts an Pferden lag. Jedenfalls nicht wie ihr. Und das war der Hauptgrund für ihr Zögern, seine Werbung so ernst zu nehmen, wie ihr Vater es gern gesehen hätte. Ricco und Julio dagegen saßen jeden Tag auf einem Pferd. Sie liebten und verstanden die Tiere und konnten Marguaritas Zuneigung und ihr Bedürfnis, mit ihnen zusammen zu sein, nachempfinden. Das würde bei Esteban nie der Fall sein. Esteban Eldridge schien ein liebenswerter Mann zu sein, doch er wirkte nicht ganz aufrichtig. Sie war überrascht, dass ihr Vater das nicht bemerkt hatte.
Wo willst du die Pferde denn unterbringen?
»Mein Freund, Simon Vargas, sagte, ich könnte sie auf seiner Hazienda halten.«
Marguarita bemühte sich, ihr Erschrecken zu verbergen. Simon Vargas reiste oft in andere
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