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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Im Gegensatz zu Bess glaubte Ramis der seltsamen Frau. Sie konnte es unmöglich erfunden haben, schließlich stimmte fast alles. Bis auf ihre letzten Bemerkungen.
    "Wie viel willst du?" , erkundigte Bess sich.
    "Nichts! Wofür auch? Ich euch keinen Gefallen getan!"
    Danach wurde die Schamanin gänzlich unansprechbar, sie schien völlig abwesend zu sein. Ihre Augen starrten ins Leere. Die beiden Frauen standen auf. Beim Weggehen legte Ramis ein paar Münzen vor die Alte und hoffte, sie damit nicht zu beleidigen. Für irgendetwas benötigte sie sicher Geld. Sie wandte sich ab und eilte Bess hinterher.
    "So ein Humbug!" , schnaubte Bess, als sie wieder draußen waren, schwieg aber für den Rest des Weges nachdenklich.
    Ramis war ebenfalls sehr mit dem, was die Alte gesagt hatte, beschäftigt. Auch die Frau selbst faszinierte sie außerordentlich. So einen Menschen hatte sie noch nie getroffen. Es war, als hätte sie direkt in Ramis hineinsehen können und hätte alles über sie gewusst, sogar mehr als Ramis selbst. Aber das war doch lächerlich, oder?
     
    Im Gasthaus war es jetzt brechend voll. Überall drängten sich Leute, die laut lachten und brüllten. Deshalb entdeckten weder Ramis noch Bess den Jungen, der flink nach oben huschte, Als sie die Tür öffneten, fanden sie Edward dort vor, der brav auf seinem Bett saß.
    "Ihr wart aber lange weg!" , meinte er mit Unschuldsmiene.
    "Du hast sicher einen Zeitvertreib gefunden..." , sagte Ramis ärgerlich, die den Geruch aus dem Gastraum nach Bier und Tabak hier wahrnahm.
    Im Grunde genommen war sie allerdings erleichtert, weil sie ihn unversehrt wiederhatte. Also beließ sie es dabei, ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen und setzte sich dann auf ihr Bett. Ihre Füße schmerzten von dem langen Marsch. Am besten ging sie heute früh zu Bett.
    In der Nacht grübelte sie jedoch noch lange über das Geschehene nach. Zuerst diese überraschende Entdeckung über Bess und dann die komische Alte... Sie hatte noch so viele Fragen. Und so beschloss sie, am nächsten Morgen die Schamanin noch einmal aufzusuchen.
    Gleich in der Frühe machte sie sich auf den Weg. Die Hütte fand sie allerdings nicht wieder, sie hatte ihren Standort vergessen. Auch die Alte war nirgends zu finden. Als sie sich überwand, eine Passantin nach ihr zu fragen, meinte die nur, man würde die alte Verrückte öfters sehen, aber niemand wisse, wo sie hause und woher sie käme.
    "Die ist sowieso wirr im Kopf, wenn du mich fragst!" , erklärte sie.
    Ramis überlegte, ob das wahr war. Doch für sie hatte die Schamanin sehr weise geklungen. Sie erkannte aber, dass sie die Alte wohl nicht wiederfinden würde. Vielleicht hatte sie später mehr Glück.
    Die Reparatur des Schiffes dauerte Tage. Ramis gefiel die Insel mittlerweile besser und sie unternahm öfters Spaziergänge mit Edward. Doch in der ganzen Zeit, als sie hier waren, sah sie die Alte nicht wieder. Diese legte offenbar keinen Wert darauf, Ramis noch einmal zu begegnen. Es sei alles gesagt, waren ihre Worte gewesen. Als sie nach mehr als einer Woche aus dem Hafen ausliefen, bemerkte Ramis John Seymoor, der am Kai stand. Er blickte ihnen nach. Am Abend zuvor hatte Bess sich bei ihm für das Geld bedankt, das er ihnen geschenkt hatte und mit dem sie die Reparatur bezahlt hatten. Es musste Bess schwergefallen sein, solch ein 'Almosen' anzunehmen. Sie war jedoch zu klug um nicht selbst einzusehen, dass es nötig war. Einen einzigen Kuss hatten die Liebenden sich gegönnt, bevor sie sich verabschiedeten. Ob sie fürchteten, dass es ein Abschied für immer war? Auch Bess stand an der Reling und starrte zum Hafen. Keiner von beiden winkte. Bess Gesicht blieb unbewegt, auch wenn Ramis glaubte, hinter der Maske großen Schmerz zu erkennen. Das alles hatte die Piratin in Kauf genommen, als sie auf ihre Liebe zugunsten der Unabhängigkeit verzichtet hatte. Der Hafen wurde immer kleiner, die Insel verschwamm zu einem Streifen am Horizont, bis sie ganz verschwand.
     
    Die neuen Segel der Fate blähten sich stolz im Wind, als sie auf den Ozean zurückkehrte. Über ihre Freude, wieder zu segeln, vergaßen die Männer sogar ihre Sorgen über ihre Zukunft. Sie sangen bei der Arbeit und pfiffen vergnügt. Bess konnte sich ihrem Übermut augenscheinlich nicht anschließen. Mit einer tiefen Sorgenfalte auf der Stirn grübelte sie darüber nach, was sie nun tun sollten. Eigentlich hatte keiner Lust, wieder ziellos auf dem Meer herumzutreiben. Zu aller Erleichterung wurde

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