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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Augen. "Ich bereue aufrichtig."
    Ich weiß nicht, ob Gott mir vergeben hat, aber nachher fühlte ich mich besser. Von nun an werde ich jede Buße tun, die man mir auferlegt. Es ist ein Lichtblick in meinem Elend, ich kann wieder die Sonne zwischen den Wolken sehen.
    Eines Tages werde ich das Scheusal in mir, das ich nie sehen wollte und das sich so schmerzhaft offenbart hat, eines Tages werde ich es besiegt haben. Selbst wenn ich niemals Vergebung erfahren werde, ich werde mich dennoch nicht von dem Bösen unterkriegen lassen. Das ist es, was Martha und Bess von mir wollten: Ich soll nie aufgeben, etwas Unrechtes zu bekämpfen, selbst wenn ich es nicht überwinden kann.
     
    8 Stunden später, derselbe Tag
    Die hoffnungsvolle Stimmung, die ich noch vorher hatte, ist heute Abend schlagartig verschwunden. Ich bin zugleich ruhelos und erschöpft. Einer der Offiziere, die wir bis vor ein paar Wochen noch gefangen gehalten haben, hat sich erstochen. Ich komme auf diesen Vorfall zurück, weil ich heute das Messer habe herumliegen sehen, mit dem er sich getötet hat. Er tat es aus Stolz. Die anderen wurden ausgelöst, selbstverständlich gegen Lösegeld. Mit dem Geld werden wir eine Weile überleben. Ich denke darüber nach, irgendwo in einem anderen Land in ein Kloster zu gehen. Ich sehne mich nach Ruhe. Vielleicht könnte ich sie dort finden. Doch es ist unmöglich. Bei mir liegt die Verantwortung für Edward und Fanny, ich darf sie nicht allein lassen. Und ich weiß auch, dass ich nicht für das Leben dort tauge. Einst hätte ich das wohl, aber inzwischen ist so viel passiert. Der Traum der Freiheit, den Bess mir aufgedrängt hat, hat mich auch gepackt. Ich werde auch den Preis dafür zahlen müssen und wenn es die Ruhe ist, die ich mir so sehr wünsche. Eines Tages wird unter Umständen auch um meinen Hals der Strick liegen und die Menge wird nach meinem Blut grölen. Würde dann auch dort ein kleines Mädchen zwischen den Menschen stehen und um mich trauern? Oder würde es Martha sein, die zusah und weinte, weil ihre Ramis mit Steinen und Dreck beworfen wurde?
    Bald werden auch die Vorräte, die wir im Augenblick haben, zu Ende gehen. Über kurz oder lang werden wir wieder hungern. Die Mannschaft fragt sich noch immer, wie der junge Adlige entkommen konnte. Sie ärgern sich über das entgangene Lösegeld. Wir wären geradezu reich geworden damit. Auch das ist meine Schuld. Ich frage mich, wie Fanny meine Anwesenheit überhaupt ertragen kann, nach allem, was sie über mich weiß.
    Der Krieg auf dem Festland entwickelt sich nach anfänglichen Niederlagen positiv für die Engländer und ihre Verbündeten. Sie haben einen neuen Helden, den Earl of Marlborough, der sie von einem Sieg zum anderen führt.
    Heute haben wir einen Toten im Wasser treibend entdeckt. Es muss ein einfacher Matrose gewesen sein. Die Männer rätselten über seine Nationalität und gaben Wetten ab, die sie nie einlösen würden. Ich dachte mir, seine Staatsangehörigkeit spielt doch keine Rolle mehr, er ist tot. Dieses verdammte, sinnlose Morden. Es könnte alles so einfach sein. Eine Welt, in der man nicht gezwungen ist, seinen Lebensunterhalt mit Töten zu verdienen. Ein unerfüllbarer Kindertraum, oder? Ich fürchte mich schon jetzt vor den hungrigen Augen und hohlen Wangen meiner Leute, wenn wir nichts mehr zu essen haben.
     
    November 1703, Karibik
    Die Entdeckung, die ich gemacht habe, gibt mir eine Antwort auf meine Gebete. Die Vergebung liegt noch fern, mit Reue ist es noch nicht getan. Meine Buße hat gerade erst begonnen. Ich sehe, ich werde auf eine höchst wirkungsvolle Weise bestraft. Letzte Nacht konnte ich nicht einschlafen, denn Sorgen bedrückten mich. Ich wollte endlich eine Lösung für unsere Probleme finden. Und so grübelte ich noch lange. Gedankenverloren betrachtete ich Edward und dachte, wie friedlich er doch in seine Träume versunken aussieht.
    In diesem Augenblick kam mir ein Gedanke, der mir den Atem raubte. Ich habe keine Ahnung, warum ich es nicht längst erkannt habe und dennoch will ich es immer noch nicht akzeptieren. Es ist so ungefähr die größte Katastrophe, die man sich denken kann. Ich bin am Ende. Die Angst, die in mir hochstieg, schnürte mir die Kehle zu und ich drohte daran zu ersticken. Aus einem akuten Bedürfnis heraus verließ ich mein Zimmer und ging hinaus. Draußen regnete und windete es. Binnen Sekunden war ich durchnässt. Das Wetter wurde mir gerecht mit seiner Gewalt. Ich hob den Kopf in den

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