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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Regen und trank die Tropfen, die in meinen Mund fielen. Der Regen war wie ein Ersatz für die Tränen, die ich nicht weinen konnte und vielleicht stahlen sich auch ein paar salzige Tropfen zwischen die anderen.
    Fanny fuhr erschrocken aus ihrer Hängematte hoch, als ich die Tür aufstieß. Ich fühlte mich wie ein Geist, wie ich so im Türrahmen stand und musste auch so ausgesehen haben. Strähniges Haar, aus dem das Wasser troff, ein bleiches Gesicht und ein klebendes langes Hemd. Es war dunkel im Zimmer und ich konnte nur Fannys Umrisse erkennen. Sie erkannte mich nicht sofort.
    "Anne, bist du das?" , fragte sie zuerst unsicher.
    Ich war unfähig, mich zu rühren. Sie kam zu mir her und ich fühlte ihre warme Hand über meine Wange streichen.
    "Du bist ja eiskalt ", stellte sie leise fest. "Und so bleich."
    "Ich muss es jemand em sagen."
    Fanny nahm meine Hand. "Komm, wärm dich erst mal auf."
    Fürsorglich wurde ich in eine Decke gewickelt und bekam warme Strümpfe übergezogen. Es tat unendlich gut, so umsorgt zu werden.
    "Was ist los?" , fragte sie nach einer Weile.
    "Ich bin verloren. Es ist etwas Schreckliches passiert."
    Nun kann ich meine Augen nicht mehr davor verschließen. Morgens muss ich mich übergeben und meine Monatsblutung ist seit geraumer Zeit ausgeblieben. Bis jetzt habe ich die Wahrheit von mir fern gehalten, aber ich bin mir so sicher, wie es nur eine Frau sein kann, die das bereits kennt:
    Ich bin schwanger...
     
    Winter 1703/1704, Atlantik
    Ich frage mich, wie lange ich es noch vor der Mannschaft geheim halten kann. Bis jetzt kann ich meinen schwellenden Bauch noch gut verstecken. Es fällt mir schwer, darüber zu schreiben, dieses Wort vor mir zu sehen: schwanger. Es hängt an mir wie ein Schandmal. Bald werden es alle sehen und meine Schande wird offenbar, das ist die Strafe. Meine Schlechtigkeit wird für alle sichtbar sein. Ich schäme mich bei dem Gedanken, meinen Bauch, das Zeichen der unseligen Vereinigung, wie ein Orden vor mir herzutragen. Alte Gefühle und Ängste kommen wieder hoch. Ich kann mich immer noch nicht damit auseinander setzen. Und nun muss ich es wieder durchstehen, obwohl ich niemals daran geglaubt hätte, jemals wieder schwanger werden zu können .
    Doch dieses Mal werde ich es - ich kann mich nicht daran gewöhnen, das kleine Geschöpf in mir als etwas Lebendiges zu sehen - annehmen. Schließlich wollte ich jede Buße auf mich nehmen, die man mir auferlegt. Dennoch beseitigt diese Strafe nicht den Drang, sich weiter selbst zu bestrafen, diesen höchst schrecklichen Teil meiner selbst. Ich wünschte, Martha wäre bei mir. Ihr Beistand fehlt mit gerade in dieser Situation am meisten, denn ich drohe wieder abzuknicken wie ein Schilfrohr im Sturm. Es ist so leicht, sich zu verlieren und dann umso schwerer, sich wieder zu finden. Zu allem Übel sitzen wir noch in einer Flaute fest und sind zum Nichtstun verdammt. Da bleibt viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Dauernd brechen Streitereien aus, die in ernste Kämpfe auszuarten drohen. Bald werden wir uns alle töten. Jeder ist jedem im Weg und alle sind gereizt bis zum letzten. Vor einer Woche konnte ich ein tödliches Duell nur noch mit meiner Pistole verhindern, ich musste den Streithähnen androhen, sie auf der Stelle zu erschießen. Das kostet mich alles so viel Kraft, dass ich mich ständig ausgebrannt fühle. Wo soll das nur enden?
     
    Winter 1704, Atlantik
    Ich habe mich überwunden und Edward von meiner Schwangerschaft erzählt. Er reagierte viel schlimmer, als ich es erwartet hatte. Er brüllte mich an, ich hätte ihn verraten.
    "Wie konntest du das tun?!" , schrie er außer sich vor Wut.
    Ich war sprachlos, jedes seiner Worte grub sich tief in meine Seele. Er benahm sich wie ein Ehemann, dessen Frau ihn mit einem anderen betrogen hat. Keine Spur mehr von dem Kind. Ich verstand nicht, warum er glaubte, ich hätte ihn hintergangen . Aber es schmerzte mich unendlich.
    "Ich habe dir vertraut!"
    "Edward, es reicht!" , versuchte ich ihn aufzuhalten. "Hör mir zu!"
    Ich hielt ihn am Arm fest, doch er riss sich los.
    "Fass mich nicht an!" , brüllte er. "Lass mich! Du hast dich wie sie benommen! Du bist wie meine Mutter, die Hure!"
    Damit versetzte er mir den Dolchstoß. Ich ließ ihn stehen und stolperte voller Entsetzen davon. Tränen verschleierten mir die Sicht. Edward hatte mich von sich gestoßen. Blindlings hastete ich über Deck, blind vor Schmerz. Die faul im Schatten liegenden Piraten blickten nicht einmal auf.

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